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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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zurücktreten -- das war unmöglich, ihr Ruf würde
darunter noch mehr leiden und ihre Zukunft ganz ver¬
loren sein. Auch wird Eduard sie nicht lassen, er
liebt sie zu sehr, und sie liebt ihn auch zu sehr. Ja,
das ist ihr Trost. Diese Liebe muß ihn, sollte er wirk¬
lich Fehler an sich haben, bessern. O, wie erhebend
ist der Gedanke! Er ist so weich, so nachgebend, sie
kann ihn um den Finger wickeln, er wird ihr Alles
zu Liebe thun, sie wird einen Engel von Ehemann
aus ihm machen. Dieser Gedanke hat schon manche
Mädchen zu unglücklichen Frauen gemacht. Sie wollen
ihn bessern, ihn ändern, sie trauen ihrer schwachen
Kraft gar Großes zu. Solche Liebe hat noch keinen
Mann geändert; und je weichlicher und schwächer sie
dieser Liebe zu Füßen liegen, je weichlicher und schwä¬
cher geben sie sich wieder den alten Sünden hin. Einen
Menschen ändern, dazu gehört eine andere Macht,
gehört die Kraft von oben.

Klärchen aber hatte sich mit diesen Gedanken be¬
ruhigt, und als am anderen Morgen Eduard mit sei¬
ner gewöhnlichen Gewandtheit und Liebenswürdigkeit
vor ihr stand, war sie wieder frischen Muthes. Aber
sagen mußte sie ihm von dem Gespräch -- zur heilsamen
Warnung, rieth ihre Klugheit. Auch gab es ihr eine
Art von Uebergewicht über ihn, wenn sie um seine
Fehler wußte. Sie erzählte es zwar in dem Sinne,
als ob sie nicht an die Möglichkeit solcher Dinge
glaube; aber er mußte jedes von den erlauschten Wor¬
ten hören. Eduard ward feuerroth und sichtbar ver¬
legen, aber Zornesworte mußten die Verlegenheit ver¬
bergen; er wollte die Schurken verklagen, er wollte

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zurücktreten — das war unmöglich, ihr Ruf würde
darunter noch mehr leiden und ihre Zukunft ganz ver¬
loren ſein. Auch wird Eduard ſie nicht laſſen, er
liebt ſie zu ſehr, und ſie liebt ihn auch zu ſehr. Ja,
das iſt ihr Troſt. Dieſe Liebe muß ihn, ſollte er wirk¬
lich Fehler an ſich haben, beſſern. O, wie erhebend
iſt der Gedanke! Er iſt ſo weich, ſo nachgebend, ſie
kann ihn um den Finger wickeln, er wird ihr Alles
zu Liebe thun, ſie wird einen Engel von Ehemann
aus ihm machen. Dieſer Gedanke hat ſchon manche
Mädchen zu unglücklichen Frauen gemacht. Sie wollen
ihn beſſern, ihn ändern, ſie trauen ihrer ſchwachen
Kraft gar Großes zu. Solche Liebe hat noch keinen
Mann geändert; und je weichlicher und ſchwächer ſie
dieſer Liebe zu Füßen liegen, je weichlicher und ſchwä¬
cher geben ſie ſich wieder den alten Sünden hin. Einen
Menſchen ändern, dazu gehört eine andere Macht,
gehört die Kraft von oben.

Klärchen aber hatte ſich mit dieſen Gedanken be¬
ruhigt, und als am anderen Morgen Eduard mit ſei¬
ner gewöhnlichen Gewandtheit und Liebenswürdigkeit
vor ihr ſtand, war ſie wieder friſchen Muthes. Aber
ſagen mußte ſie ihm von dem Geſpräch — zur heilſamen
Warnung, rieth ihre Klugheit. Auch gab es ihr eine
Art von Uebergewicht über ihn, wenn ſie um ſeine
Fehler wußte. Sie erzählte es zwar in dem Sinne,
als ob ſie nicht an die Möglichkeit ſolcher Dinge
glaube; aber er mußte jedes von den erlauſchten Wor¬
ten hören. Eduard ward feuerroth und ſichtbar ver¬
legen, aber Zornesworte mußten die Verlegenheit ver¬
bergen; er wollte die Schurken verklagen, er wollte

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[81/0087] zurücktreten — das war unmöglich, ihr Ruf würde darunter noch mehr leiden und ihre Zukunft ganz ver¬ loren ſein. Auch wird Eduard ſie nicht laſſen, er liebt ſie zu ſehr, und ſie liebt ihn auch zu ſehr. Ja, das iſt ihr Troſt. Dieſe Liebe muß ihn, ſollte er wirk¬ lich Fehler an ſich haben, beſſern. O, wie erhebend iſt der Gedanke! Er iſt ſo weich, ſo nachgebend, ſie kann ihn um den Finger wickeln, er wird ihr Alles zu Liebe thun, ſie wird einen Engel von Ehemann aus ihm machen. Dieſer Gedanke hat ſchon manche Mädchen zu unglücklichen Frauen gemacht. Sie wollen ihn beſſern, ihn ändern, ſie trauen ihrer ſchwachen Kraft gar Großes zu. Solche Liebe hat noch keinen Mann geändert; und je weichlicher und ſchwächer ſie dieſer Liebe zu Füßen liegen, je weichlicher und ſchwä¬ cher geben ſie ſich wieder den alten Sünden hin. Einen Menſchen ändern, dazu gehört eine andere Macht, gehört die Kraft von oben. Klärchen aber hatte ſich mit dieſen Gedanken be¬ ruhigt, und als am anderen Morgen Eduard mit ſei¬ ner gewöhnlichen Gewandtheit und Liebenswürdigkeit vor ihr ſtand, war ſie wieder friſchen Muthes. Aber ſagen mußte ſie ihm von dem Geſpräch — zur heilſamen Warnung, rieth ihre Klugheit. Auch gab es ihr eine Art von Uebergewicht über ihn, wenn ſie um ſeine Fehler wußte. Sie erzählte es zwar in dem Sinne, als ob ſie nicht an die Möglichkeit ſolcher Dinge glaube; aber er mußte jedes von den erlauſchten Wor¬ ten hören. Eduard ward feuerroth und ſichtbar ver¬ legen, aber Zornesworte mußten die Verlegenheit ver¬ bergen; er wollte die Schurken verklagen, er wollte 6

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/87>, abgerufen am 25.11.2024.