Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.noch nicht zurück, und Klärchen ging am andern Mor¬ Klärchen! sagte die Generalin, ich habe schon Dieb! schluchzte Klärchen, ich wollte nicht stehlen, Thörichte Reden! entgegnete die Generalin be¬ Klärchen war in einer entsetzlichen Lage. Aller noch nicht zurück, und Klärchen ging am andern Mor¬ Klärchen! ſagte die Generalin, ich habe ſchon Dieb! ſchluchzte Klärchen, ich wollte nicht ſtehlen, Thörichte Reden! entgegnete die Generalin be¬ Klärchen war in einer entſetzlichen Lage. Aller <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0074" n="68"/> noch nicht zurück, und Klärchen ging am andern Mor¬<lb/> gen mit großer Beſtimmtheit an ihr Werk. Diesmal<lb/> war ſie kühner. Sie nahm nahe an drei Thaler und<lb/> wollte eben den Kaſten wieder ſchließen, als ſich die<lb/> Thür hinter ihr öffnete, und die Generalin herein trat.<lb/> Klärchen ſchrie laut auf. — Alſo doch! ſagte die<lb/> Generalin. Klärchen hielt beide Hände vor das Ge¬<lb/> ſicht. Ihre Sinne wollten ſchwinden.</p><lb/> <p>Klärchen! ſagte die Generalin, ich habe ſchon<lb/> vor acht Tagen gemerkt, daß Jemand bei meiner<lb/> Kaſſe geweſen; ich war aber meiner Sache nicht ge¬<lb/> wiß und beſonders wollte ich nicht glauben, daß Sie<lb/> der Dieb ſeien.</p><lb/> <p>Dieb! ſchluchzte Klärchen, ich wollte nicht ſtehlen,<lb/> ich wollte das Geld wieder hineinlegen.</p><lb/> <p>Thörichte Reden! entgegnete die Generalin be¬<lb/> ſtimmt. Sie haben geſtohlen, haben auf ganz abſcheu¬<lb/> liche Weiſe mein Vertrauen gemißbraucht; nichts kann<lb/> Sie jetzt vor einer gerichtlichen Unterſuchung retten,<lb/> als wenn Sie mir ganz der Wahrheit gemäß ihren<lb/> Frevel geſtehen und auch die Beweggründe dazu. Ue¬<lb/> berhaupt muß ich jetzt Ihren ganzen Lebenswandel<lb/> kennen lernen, von dem ſich in der letzten Zeit ſehr<lb/> ſchlimme Gerüchte verbreitet haben.</p><lb/> <p>Klärchen war in einer entſetzlichen Lage. Aller<lb/> Hochmuth, aller Stolz war dahin. Die Sünde iſt<lb/> feig, Furcht folgt ihr auf den Ferſen. Furcht war<lb/> es, die Klärchens Weſen durchzitterte; ſie dachte an<lb/> ihre Liebe, an den Grafen, freilich ihm zu Liebe war<lb/> ſie ja eine Diebin geworden; ſie dachte aber an ihre<lb/> Freundinnen, an Tante Rieke. Ja ſie bekannte, ſie<lb/></p> </body> </text> </TEI> [68/0074]
noch nicht zurück, und Klärchen ging am andern Mor¬
gen mit großer Beſtimmtheit an ihr Werk. Diesmal
war ſie kühner. Sie nahm nahe an drei Thaler und
wollte eben den Kaſten wieder ſchließen, als ſich die
Thür hinter ihr öffnete, und die Generalin herein trat.
Klärchen ſchrie laut auf. — Alſo doch! ſagte die
Generalin. Klärchen hielt beide Hände vor das Ge¬
ſicht. Ihre Sinne wollten ſchwinden.
Klärchen! ſagte die Generalin, ich habe ſchon
vor acht Tagen gemerkt, daß Jemand bei meiner
Kaſſe geweſen; ich war aber meiner Sache nicht ge¬
wiß und beſonders wollte ich nicht glauben, daß Sie
der Dieb ſeien.
Dieb! ſchluchzte Klärchen, ich wollte nicht ſtehlen,
ich wollte das Geld wieder hineinlegen.
Thörichte Reden! entgegnete die Generalin be¬
ſtimmt. Sie haben geſtohlen, haben auf ganz abſcheu¬
liche Weiſe mein Vertrauen gemißbraucht; nichts kann
Sie jetzt vor einer gerichtlichen Unterſuchung retten,
als wenn Sie mir ganz der Wahrheit gemäß ihren
Frevel geſtehen und auch die Beweggründe dazu. Ue¬
berhaupt muß ich jetzt Ihren ganzen Lebenswandel
kennen lernen, von dem ſich in der letzten Zeit ſehr
ſchlimme Gerüchte verbreitet haben.
Klärchen war in einer entſetzlichen Lage. Aller
Hochmuth, aller Stolz war dahin. Die Sünde iſt
feig, Furcht folgt ihr auf den Ferſen. Furcht war
es, die Klärchens Weſen durchzitterte; ſie dachte an
ihre Liebe, an den Grafen, freilich ihm zu Liebe war
ſie ja eine Diebin geworden; ſie dachte aber an ihre
Freundinnen, an Tante Rieke. Ja ſie bekannte, ſie
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