Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.then, Bäume und Vögelgesang und andere schöne Seit zwei Tagen aber hatte sich das Schiebfen¬ then, Bäume und Vögelgeſang und andere ſchöne Seit zwei Tagen aber hatte ſich das Schiebfen¬ <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0064" n="58"/> then, Bäume und Vögelgeſang und andere ſchöne<lb/> Dinge, und das Herz ſchlug ihr warm hinter den<lb/> kalten Eisblumen. Zuweilen entdeckte ſie auch durch<lb/> ihr Fenſterlein das rothe Geſicht eines Handwerksbur¬<lb/> ſchen, der ſie bittend anſchaute, da reichte ſie ihm eine<lb/> Gabe; oder ein Vogel hüpfte auf dem Fenſterſims,<lb/> dem ſtreute ſie Krümlein hin. Aber auch die Vögel<lb/> im Garten wurden gefüttert; ein Stückchen Brod war<lb/> ja immer übrig vom Frühſtück und auch vom Mittag,<lb/> und jedesmal wenn ſie hinaus kam, rief Benjamin<lb/> einen „guten Tag“ aus dem Schiebfenſterchen, oder<lb/> ſonſt ein gutes fröhliches Wort.</p><lb/> <p>Seit zwei Tagen aber hatte ſich das Schiebfen¬<lb/> ſterchen nicht geöffnet, und die Eisblumen regten und<lb/> rührten ſich nicht. Gretchen ſagte es der Mutter, es<lb/> wurde Rath gehalten; Benjamin war jedenfalls krank,<lb/> man mußte ſich nach ihm erkundigen. — Der Ver¬<lb/> kehr mit dem Nachbarhauſe war leider dieſen Winter<lb/> ſehr eingeſchlafen; Frau Bendler empfand es ſchmerz¬<lb/> lich, daß Fritz Buchſtein ſich ihrem Gretchen gar nicht<lb/> nähern wollte. Ihr Zartgefühl erlaubte es nicht, von<lb/> ihrer Seite nur die leiſeſte Andeutung zu geben; aus<lb/> dieſer Aengſtlichkeit erfolgte dann faſt das Gegentheil.<lb/> Der alte Buchſtein, der ſonſt ſo eifrig die Freundſchaft<lb/> betrieben, war jetzt verlegen. Fritz wich ſeinen Auffor¬<lb/> derungen aus, und ſehr zureden wollte er dem Jungen<lb/> nicht, und wußte nur nicht, was zur Frau Nachba¬<lb/> rin ſagen, mit der er früher die Sache in allen Ein¬<lb/> zelheiten beſprochen hatte. — Heute aber war von<lb/> all' den Rückſichten nicht die Rede, Benjamin mußte<lb/> gepflegt werden und Gretchen ſich auf den Weg zu<lb/></p> </body> </text> </TEI> [58/0064]
then, Bäume und Vögelgeſang und andere ſchöne
Dinge, und das Herz ſchlug ihr warm hinter den
kalten Eisblumen. Zuweilen entdeckte ſie auch durch
ihr Fenſterlein das rothe Geſicht eines Handwerksbur¬
ſchen, der ſie bittend anſchaute, da reichte ſie ihm eine
Gabe; oder ein Vogel hüpfte auf dem Fenſterſims,
dem ſtreute ſie Krümlein hin. Aber auch die Vögel
im Garten wurden gefüttert; ein Stückchen Brod war
ja immer übrig vom Frühſtück und auch vom Mittag,
und jedesmal wenn ſie hinaus kam, rief Benjamin
einen „guten Tag“ aus dem Schiebfenſterchen, oder
ſonſt ein gutes fröhliches Wort.
Seit zwei Tagen aber hatte ſich das Schiebfen¬
ſterchen nicht geöffnet, und die Eisblumen regten und
rührten ſich nicht. Gretchen ſagte es der Mutter, es
wurde Rath gehalten; Benjamin war jedenfalls krank,
man mußte ſich nach ihm erkundigen. — Der Ver¬
kehr mit dem Nachbarhauſe war leider dieſen Winter
ſehr eingeſchlafen; Frau Bendler empfand es ſchmerz¬
lich, daß Fritz Buchſtein ſich ihrem Gretchen gar nicht
nähern wollte. Ihr Zartgefühl erlaubte es nicht, von
ihrer Seite nur die leiſeſte Andeutung zu geben; aus
dieſer Aengſtlichkeit erfolgte dann faſt das Gegentheil.
Der alte Buchſtein, der ſonſt ſo eifrig die Freundſchaft
betrieben, war jetzt verlegen. Fritz wich ſeinen Auffor¬
derungen aus, und ſehr zureden wollte er dem Jungen
nicht, und wußte nur nicht, was zur Frau Nachba¬
rin ſagen, mit der er früher die Sache in allen Ein¬
zelheiten beſprochen hatte. — Heute aber war von
all' den Rückſichten nicht die Rede, Benjamin mußte
gepflegt werden und Gretchen ſich auf den Weg zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |