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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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Diese Unterredung hatte Klärchen durch das
Schlüsselloch mit angehört, denn Horchen war in den
zehn Geboten nicht verboten. Sie haben sich Alle in
dich verliebt, und Alfred ist doch der Schönste und
Edelste. Seinen Spaß würde er nie mit dir treiben:
zeigt der dir Liebe, so wäre es Ernst. Sie seufzte.
Ja, hätte sie mit dem Mediziner noch nicht angefangen,
sie hätte es wahrlich jetzt gelassen; aber sie hatte sich
küssen lassen, hatte eine Liebschaft an der Treppe ge¬
habt; Frau von Trautstein konnte sie nicht werden.
Also nur kühn den Mediziner festgehalten, er ist auch
ein Mann von Bedeutung und so sehr verliebt, es
läßt sich Alles mit ihm machen.

Mit solchen Gedanken machte sie in ihrer Mutter
Stube die Vorbereitungen zur Verlobung. Zwei Lich¬
ter brannten außer der kleinen Lampe, Tassen und
Kuchen standen auf dem Tisch, die Theekanne in der
Röhre, die Mutter saß im Lehnstuhl am Ofen, und
Klärchen mit der Guitarre am Arm saß im Sopha.
Der Student kam, die Thür ward verschlossen und
nun ward geplaudert, gescherzt, gekoset. Die Mutter
war ganz glücklich. Der Mediziner hatte schon eine
volle Börse deponirt zu Sachen, die für Klärchen
nothwendig angeschafft werden sollten. Sie mußte sich
gestehen, daß Klärchen es weit klüger angefangen als
sie: Klärchen that spröder und vornehmer und kom¬
mandirte mehr. Sie bedachte nur nicht, daß das Ende
einer klugen Sünderin ein gleiches ist, als das einer
dummen. Klärchen kam zuletzt mit Vorschlägen zur
Veröffentlichung ihrer Verlobung heraus, die für heute
darin bestanden, noch zu Tante Rieke zu gehen. Der

Dieſe Unterredung hatte Klärchen durch das
Schlüſſelloch mit angehört, denn Horchen war in den
zehn Geboten nicht verboten. Sie haben ſich Alle in
dich verliebt, und Alfred iſt doch der Schönſte und
Edelſte. Seinen Spaß würde er nie mit dir treiben:
zeigt der dir Liebe, ſo wäre es Ernſt. Sie ſeufzte.
Ja, hätte ſie mit dem Mediziner noch nicht angefangen,
ſie hätte es wahrlich jetzt gelaſſen; aber ſie hatte ſich
küſſen laſſen, hatte eine Liebſchaft an der Treppe ge¬
habt; Frau von Trautſtein konnte ſie nicht werden.
Alſo nur kühn den Mediziner feſtgehalten, er iſt auch
ein Mann von Bedeutung und ſo ſehr verliebt, es
läßt ſich Alles mit ihm machen.

Mit ſolchen Gedanken machte ſie in ihrer Mutter
Stube die Vorbereitungen zur Verlobung. Zwei Lich¬
ter brannten außer der kleinen Lampe, Taſſen und
Kuchen ſtanden auf dem Tiſch, die Theekanne in der
Röhre, die Mutter ſaß im Lehnſtuhl am Ofen, und
Klärchen mit der Guitarre am Arm ſaß im Sopha.
Der Student kam, die Thür ward verſchloſſen und
nun ward geplaudert, geſcherzt, gekoſet. Die Mutter
war ganz glücklich. Der Mediziner hatte ſchon eine
volle Börſe deponirt zu Sachen, die für Klärchen
nothwendig angeſchafft werden ſollten. Sie mußte ſich
geſtehen, daß Klärchen es weit klüger angefangen als
ſie: Klärchen that ſpröder und vornehmer und kom¬
mandirte mehr. Sie bedachte nur nicht, daß das Ende
einer klugen Sünderin ein gleiches iſt, als das einer
dummen. Klärchen kam zuletzt mit Vorſchlägen zur
Veröffentlichung ihrer Verlobung heraus, die für heute
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[50/0056] Dieſe Unterredung hatte Klärchen durch das Schlüſſelloch mit angehört, denn Horchen war in den zehn Geboten nicht verboten. Sie haben ſich Alle in dich verliebt, und Alfred iſt doch der Schönſte und Edelſte. Seinen Spaß würde er nie mit dir treiben: zeigt der dir Liebe, ſo wäre es Ernſt. Sie ſeufzte. Ja, hätte ſie mit dem Mediziner noch nicht angefangen, ſie hätte es wahrlich jetzt gelaſſen; aber ſie hatte ſich küſſen laſſen, hatte eine Liebſchaft an der Treppe ge¬ habt; Frau von Trautſtein konnte ſie nicht werden. Alſo nur kühn den Mediziner feſtgehalten, er iſt auch ein Mann von Bedeutung und ſo ſehr verliebt, es läßt ſich Alles mit ihm machen. Mit ſolchen Gedanken machte ſie in ihrer Mutter Stube die Vorbereitungen zur Verlobung. Zwei Lich¬ ter brannten außer der kleinen Lampe, Taſſen und Kuchen ſtanden auf dem Tiſch, die Theekanne in der Röhre, die Mutter ſaß im Lehnſtuhl am Ofen, und Klärchen mit der Guitarre am Arm ſaß im Sopha. Der Student kam, die Thür ward verſchloſſen und nun ward geplaudert, geſcherzt, gekoſet. Die Mutter war ganz glücklich. Der Mediziner hatte ſchon eine volle Börſe deponirt zu Sachen, die für Klärchen nothwendig angeſchafft werden ſollten. Sie mußte ſich geſtehen, daß Klärchen es weit klüger angefangen als ſie: Klärchen that ſpröder und vornehmer und kom¬ mandirte mehr. Sie bedachte nur nicht, daß das Ende einer klugen Sünderin ein gleiches iſt, als das einer dummen. Klärchen kam zuletzt mit Vorſchlägen zur Veröffentlichung ihrer Verlobung heraus, die für heute darin beſtanden, noch zu Tante Rieke zu gehen. Der

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/56>, abgerufen am 22.11.2024.