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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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Daß geweihet sei die Seele
Mit dem Lebensöle.

Weichet, Lust und Sünde!
Einem Gotteskinde
Habt ihr nichts mehr an.
Denn dem Gott der Ehren
Muß mein Herz gehören,
Ihm dem Schmerzensmann.
Ihm erkauft, auf ihn getauft,
Steh ich in dem Grund der Gnaden.
Was kann da mir schaden?
Tage, Jahre, fliehet!
Lust und Glanz, verblühet!
Gräber, öffnet euch!
Wenn die Glieder sterben,
Werd ich ja ererben
Meines Heiland's Reich!
Wär sie nah', ach wär sie da,
Jene Zeit, da ich erstritten
Gottes ew'ge Hütten!

Klärchen bemühte sich so viel als möglich, nicht
hinzuhören und sich mit anderen Gedanken zu zer¬
streuen; es war ihr aber unmöglich. Fritzens Stimme
klang wie Glöckentöne in ihr Herz, so mächtig, so
ernst, sie mußte hören, und je länger er las, desto
aufmerksamer hören. Von Sterben -- Grab -- und
Verblühen war die Rede, es ward ihr bange dabei,
und ihr abergläubig Herz nahm die Bangigkeit für
böse Ahnung. Nur nicht sterben! dachte sie. Der Hei¬
land, von dem sie reden, hilft mir nichts, sein Reich
reizt mich nicht und nicht die ewigen Hütten; nein,
über den Tod hinaus geht keine Hoffnung. O, so
häßliche Gedanken verbittern einem das schöne Leben,

Daß geweihet ſei die Seele
Mit dem Lebensöle.

Weichet, Luſt und Sünde!
Einem Gotteskinde
Habt ihr nichts mehr an.
Denn dem Gott der Ehren
Muß mein Herz gehören,
Ihm dem Schmerzensmann.
Ihm erkauft, auf ihn getauft,
Steh ich in dem Grund der Gnaden.
Was kann da mir ſchaden?
Tage, Jahre, fliehet!
Luſt und Glanz, verblühet!
Gräber, öffnet euch!
Wenn die Glieder ſterben,
Werd ich ja ererben
Meines Heiland's Reich!
Wär ſie nah', ach wär ſie da,
Jene Zeit, da ich erſtritten
Gottes ew'ge Hütten!

Klärchen bemühte ſich ſo viel als möglich, nicht
hinzuhören und ſich mit anderen Gedanken zu zer¬
ſtreuen; es war ihr aber unmöglich. Fritzens Stimme
klang wie Glöckentöne in ihr Herz, ſo mächtig, ſo
ernſt, ſie mußte hören, und je länger er las, deſto
aufmerkſamer hören. Von Sterben — Grab — und
Verblühen war die Rede, es ward ihr bange dabei,
und ihr abergläubig Herz nahm die Bangigkeit für
böſe Ahnung. Nur nicht ſterben! dachte ſie. Der Hei¬
land, von dem ſie reden, hilft mir nichts, ſein Reich
reizt mich nicht und nicht die ewigen Hütten; nein,
über den Tod hinaus geht keine Hoffnung. O, ſo
häßliche Gedanken verbittern einem das ſchöne Leben,

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[41/0047] Daß geweihet ſei die Seele Mit dem Lebensöle. Weichet, Luſt und Sünde! Einem Gotteskinde Habt ihr nichts mehr an. Denn dem Gott der Ehren Muß mein Herz gehören, Ihm dem Schmerzensmann. Ihm erkauft, auf ihn getauft, Steh ich in dem Grund der Gnaden. Was kann da mir ſchaden? Tage, Jahre, fliehet! Luſt und Glanz, verblühet! Gräber, öffnet euch! Wenn die Glieder ſterben, Werd ich ja ererben Meines Heiland's Reich! Wär ſie nah', ach wär ſie da, Jene Zeit, da ich erſtritten Gottes ew'ge Hütten! Klärchen bemühte ſich ſo viel als möglich, nicht hinzuhören und ſich mit anderen Gedanken zu zer¬ ſtreuen; es war ihr aber unmöglich. Fritzens Stimme klang wie Glöckentöne in ihr Herz, ſo mächtig, ſo ernſt, ſie mußte hören, und je länger er las, deſto aufmerkſamer hören. Von Sterben — Grab — und Verblühen war die Rede, es ward ihr bange dabei, und ihr abergläubig Herz nahm die Bangigkeit für böſe Ahnung. Nur nicht ſterben! dachte ſie. Der Hei¬ land, von dem ſie reden, hilft mir nichts, ſein Reich reizt mich nicht und nicht die ewigen Hütten; nein, über den Tod hinaus geht keine Hoffnung. O, ſo häßliche Gedanken verbittern einem das ſchöne Leben,

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/47>, abgerufen am 23.11.2024.