Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

wie zwei feindliche Parteien sich die Flotte gegenüber
stand.

Weil der Fritz es so gut mit mir meint, soll er
jetzt der Erste sein der die Herzen seiner Freunde prüft,
sagte Frau Bendler. Fritz aber war gar nicht begierig
danach, er wollte den Andern durchaus den Vorrang
lassen; doch half es ihm nichts, die Alten übernah¬
men es, den Schiffchen Namen zu geben, und die
Sache ging los. Gretchens Herz klopfte gewaltig, und
sie besann sich schon, was für ein Gesicht sie machen
wolle und was sagen, wenn das Schiffchen die Ge¬
danken ihres Herzens verrathen sollte. Zwei andere
junge Mädchen, die ganz unbefangen waren, scherzten
mit Fritz und meinten: das passe sich gar nicht, wenn
er da großartig in der Mitte stehe, und sie sollten sich
um ihn bemühen, diese Prüfung sei eigentlich nur
für Mädchen. Klärchen aber war ganz erhoben über
diesen Spaß, ihre Gedanken waren längst nicht mehr
hier; je später es wurde, je größer ward ihre Unruhe
und Sehnsucht, den Brief zu beantworten. Doch selt¬
sam genug, ihr Schiffchen nahete sich zuerst der Mitte,
Fritz schien ihr auszuweichen, aber sie zog hinter ihm
her, vereinigte sich mit ihm und schiffte dann mit ihm
zusammen auf dem kleinen Meere umher. Das gab
ein Lachen, aber Klärchen warf die Lippen auf und
warf einen verächtlichen Seitenblick auf den Tischler¬
gesellen, so daß Allen die Gesinnung ihres Herzens
kund werden mußte. Gretchen ward vor Aerger ganz
roth und hatte schon ein derbes Wort auf den Lippen,
doch scheute sie sich vor Fritzens Gegenwart und
wollte es sich lieber aufsparen. Die beiden andern

wie zwei feindliche Parteien ſich die Flotte gegenüber
ſtand.

Weil der Fritz es ſo gut mit mir meint, ſoll er
jetzt der Erſte ſein der die Herzen ſeiner Freunde prüft,
ſagte Frau Bendler. Fritz aber war gar nicht begierig
danach, er wollte den Andern durchaus den Vorrang
laſſen; doch half es ihm nichts, die Alten übernah¬
men es, den Schiffchen Namen zu geben, und die
Sache ging los. Gretchens Herz klopfte gewaltig, und
ſie beſann ſich ſchon, was für ein Geſicht ſie machen
wolle und was ſagen, wenn das Schiffchen die Ge¬
danken ihres Herzens verrathen ſollte. Zwei andere
junge Mädchen, die ganz unbefangen waren, ſcherzten
mit Fritz und meinten: das paſſe ſich gar nicht, wenn
er da großartig in der Mitte ſtehe, und ſie ſollten ſich
um ihn bemühen, dieſe Prüfung ſei eigentlich nur
für Mädchen. Klärchen aber war ganz erhoben über
dieſen Spaß, ihre Gedanken waren längſt nicht mehr
hier; je ſpäter es wurde, je größer ward ihre Unruhe
und Sehnſucht, den Brief zu beantworten. Doch ſelt¬
ſam genug, ihr Schiffchen nahete ſich zuerſt der Mitte,
Fritz ſchien ihr auszuweichen, aber ſie zog hinter ihm
her, vereinigte ſich mit ihm und ſchiffte dann mit ihm
zuſammen auf dem kleinen Meere umher. Das gab
ein Lachen, aber Klärchen warf die Lippen auf und
warf einen verächtlichen Seitenblick auf den Tiſchler¬
geſellen, ſo daß Allen die Geſinnung ihres Herzens
kund werden mußte. Gretchen ward vor Aerger ganz
roth und hatte ſchon ein derbes Wort auf den Lippen,
doch ſcheute ſie ſich vor Fritzens Gegenwart und
wollte es ſich lieber aufſparen. Die beiden andern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0044" n="38"/>
wie zwei feindliche Parteien &#x017F;ich die Flotte gegenüber<lb/>
&#x017F;tand.</p><lb/>
      <p>Weil der Fritz es &#x017F;o gut mit mir meint, &#x017F;oll er<lb/>
jetzt der Er&#x017F;te &#x017F;ein der die Herzen &#x017F;einer Freunde prüft,<lb/>
&#x017F;agte Frau Bendler. Fritz aber war gar nicht begierig<lb/>
danach, er wollte den Andern durchaus den Vorrang<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en; doch half es ihm nichts, die Alten übernah¬<lb/>
men es, den Schiffchen Namen zu geben, und die<lb/>
Sache ging los. Gretchens Herz klopfte gewaltig, und<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;ann &#x017F;ich &#x017F;chon, was für ein Ge&#x017F;icht &#x017F;ie machen<lb/>
wolle und was &#x017F;agen, wenn das Schiffchen die Ge¬<lb/>
danken ihres Herzens verrathen &#x017F;ollte. Zwei andere<lb/>
junge Mädchen, die ganz unbefangen waren, &#x017F;cherzten<lb/>
mit Fritz und meinten: das pa&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich gar nicht, wenn<lb/>
er da großartig in der Mitte &#x017F;tehe, und &#x017F;ie &#x017F;ollten &#x017F;ich<lb/>
um ihn bemühen, die&#x017F;e Prüfung &#x017F;ei eigentlich nur<lb/>
für Mädchen. Klärchen aber war ganz erhoben über<lb/>
die&#x017F;en Spaß, ihre Gedanken waren läng&#x017F;t nicht mehr<lb/>
hier; je &#x017F;päter es wurde, je größer ward ihre Unruhe<lb/>
und Sehn&#x017F;ucht, den Brief zu beantworten. Doch &#x017F;elt¬<lb/>
&#x017F;am genug, ihr Schiffchen nahete &#x017F;ich zuer&#x017F;t der Mitte,<lb/>
Fritz &#x017F;chien ihr auszuweichen, aber &#x017F;ie zog hinter ihm<lb/>
her, vereinigte &#x017F;ich mit ihm und &#x017F;chiffte dann mit ihm<lb/>
zu&#x017F;ammen auf dem kleinen Meere umher. Das gab<lb/>
ein Lachen, aber Klärchen warf die Lippen auf und<lb/>
warf einen verächtlichen Seitenblick auf den Ti&#x017F;chler¬<lb/>
ge&#x017F;ellen, &#x017F;o daß Allen die Ge&#x017F;innung ihres Herzens<lb/>
kund werden mußte. Gretchen ward vor Aerger ganz<lb/>
roth und hatte &#x017F;chon ein derbes Wort auf den Lippen,<lb/>
doch &#x017F;cheute &#x017F;ie &#x017F;ich vor Fritzens Gegenwart und<lb/>
wollte es &#x017F;ich lieber auf&#x017F;paren. Die beiden andern<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0044] wie zwei feindliche Parteien ſich die Flotte gegenüber ſtand. Weil der Fritz es ſo gut mit mir meint, ſoll er jetzt der Erſte ſein der die Herzen ſeiner Freunde prüft, ſagte Frau Bendler. Fritz aber war gar nicht begierig danach, er wollte den Andern durchaus den Vorrang laſſen; doch half es ihm nichts, die Alten übernah¬ men es, den Schiffchen Namen zu geben, und die Sache ging los. Gretchens Herz klopfte gewaltig, und ſie beſann ſich ſchon, was für ein Geſicht ſie machen wolle und was ſagen, wenn das Schiffchen die Ge¬ danken ihres Herzens verrathen ſollte. Zwei andere junge Mädchen, die ganz unbefangen waren, ſcherzten mit Fritz und meinten: das paſſe ſich gar nicht, wenn er da großartig in der Mitte ſtehe, und ſie ſollten ſich um ihn bemühen, dieſe Prüfung ſei eigentlich nur für Mädchen. Klärchen aber war ganz erhoben über dieſen Spaß, ihre Gedanken waren längſt nicht mehr hier; je ſpäter es wurde, je größer ward ihre Unruhe und Sehnſucht, den Brief zu beantworten. Doch ſelt¬ ſam genug, ihr Schiffchen nahete ſich zuerſt der Mitte, Fritz ſchien ihr auszuweichen, aber ſie zog hinter ihm her, vereinigte ſich mit ihm und ſchiffte dann mit ihm zuſammen auf dem kleinen Meere umher. Das gab ein Lachen, aber Klärchen warf die Lippen auf und warf einen verächtlichen Seitenblick auf den Tiſchler¬ geſellen, ſo daß Allen die Geſinnung ihres Herzens kund werden mußte. Gretchen ward vor Aerger ganz roth und hatte ſchon ein derbes Wort auf den Lippen, doch ſcheute ſie ſich vor Fritzens Gegenwart und wollte es ſich lieber aufſparen. Die beiden andern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/44
Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/44>, abgerufen am 24.11.2024.