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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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Sie unterließ auch nicht, ihren Bekanntinnen die Sache
so vorzustellen. Als sie zu Tante Rieke kam, machte
die ein ernsthaftes Gesicht. Du hast nun meinen
Wunsch erfüllt und Dich vermiethet, sagte sie, der Herr
mag Dir Kraft zu Deinem neuen Berufe geben, den
Du Dir nicht zu leicht denken mußt. -- Klärchen,
die voll der schönsten Hoffnungen und sehr guter Laune
war, versprach alles Mögliche, und die Tante war zu
gutmüthig, um das nicht glauben zu müssen. Auf
die Fragen über den Zustand ihrer Wäsche, hatte sie
geschickte Antworten; sie hätte unmöglich die Wahr¬
heit sagen können, und ihre Angst war schon längst
gewesen, die Tante möchte sich einmal selbst davon
überzeugen wollen. Für das Nöthigste sei gesorgt,
sagte sie, und sie freue sich, von dem schönen Lohn
ganz besonders Wäsche anzuschaffen. Die Mutter muß
sich einschränken lernen, fügte sie hinzu: Du weißt,
wenn ich Geld hatte, konnte ich es als Tochter nicht
abschlagen; wenn ich keines habe, kann ich keines ge¬
ben: und bekomme ich mein Lohn, gebe ich ihr ein
Theil, kann aber vom Uebrigen gleich ordentlich an¬
schaffen. -- Das klang vernünftig, und die Tante
war damit einverstanden. Gretchen ging vor die Schub¬
lade und holte ein halbes Dutzend leinene Taschentü¬
cher und zwei Paar Strümpfe.

Das darf ich Dir schenken, sagte sie; zum Strik¬
ken hast Du nicht viel Zeit gehabt, und die Taschen¬
tücher sind gesäumt und für Dich gezeichnet. Wenn
Du zu uns kommst, nimmst Du nun aber auch die
leinenen, scherzte Gretchen: Du weißt, wir können
die baumwollenen nicht leiden.

Sie unterließ auch nicht, ihren Bekanntinnen die Sache
ſo vorzuſtellen. Als ſie zu Tante Rieke kam, machte
die ein ernſthaftes Geſicht. Du haſt nun meinen
Wunſch erfüllt und Dich vermiethet, ſagte ſie, der Herr
mag Dir Kraft zu Deinem neuen Berufe geben, den
Du Dir nicht zu leicht denken mußt. — Klärchen,
die voll der ſchönſten Hoffnungen und ſehr guter Laune
war, verſprach alles Mögliche, und die Tante war zu
gutmüthig, um das nicht glauben zu müſſen. Auf
die Fragen über den Zuſtand ihrer Wäſche, hatte ſie
geſchickte Antworten; ſie hätte unmöglich die Wahr¬
heit ſagen können, und ihre Angſt war ſchon längſt
geweſen, die Tante möchte ſich einmal ſelbſt davon
überzeugen wollen. Für das Nöthigſte ſei geſorgt,
ſagte ſie, und ſie freue ſich, von dem ſchönen Lohn
ganz beſonders Wäſche anzuſchaffen. Die Mutter muß
ſich einſchränken lernen, fügte ſie hinzu: Du weißt,
wenn ich Geld hatte, konnte ich es als Tochter nicht
abſchlagen; wenn ich keines habe, kann ich keines ge¬
ben: und bekomme ich mein Lohn, gebe ich ihr ein
Theil, kann aber vom Uebrigen gleich ordentlich an¬
ſchaffen. — Das klang vernünftig, und die Tante
war damit einverſtanden. Gretchen ging vor die Schub¬
lade und holte ein halbes Dutzend leinene Taſchentü¬
cher und zwei Paar Strümpfe.

Das darf ich Dir ſchenken, ſagte ſie; zum Strik¬
ken haſt Du nicht viel Zeit gehabt, und die Taſchen¬
tücher ſind geſäumt und für Dich gezeichnet. Wenn
Du zu uns kommſt, nimmſt Du nun aber auch die
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[31/0037] Sie unterließ auch nicht, ihren Bekanntinnen die Sache ſo vorzuſtellen. Als ſie zu Tante Rieke kam, machte die ein ernſthaftes Geſicht. Du haſt nun meinen Wunſch erfüllt und Dich vermiethet, ſagte ſie, der Herr mag Dir Kraft zu Deinem neuen Berufe geben, den Du Dir nicht zu leicht denken mußt. — Klärchen, die voll der ſchönſten Hoffnungen und ſehr guter Laune war, verſprach alles Mögliche, und die Tante war zu gutmüthig, um das nicht glauben zu müſſen. Auf die Fragen über den Zuſtand ihrer Wäſche, hatte ſie geſchickte Antworten; ſie hätte unmöglich die Wahr¬ heit ſagen können, und ihre Angſt war ſchon längſt geweſen, die Tante möchte ſich einmal ſelbſt davon überzeugen wollen. Für das Nöthigſte ſei geſorgt, ſagte ſie, und ſie freue ſich, von dem ſchönen Lohn ganz beſonders Wäſche anzuſchaffen. Die Mutter muß ſich einſchränken lernen, fügte ſie hinzu: Du weißt, wenn ich Geld hatte, konnte ich es als Tochter nicht abſchlagen; wenn ich keines habe, kann ich keines ge¬ ben: und bekomme ich mein Lohn, gebe ich ihr ein Theil, kann aber vom Uebrigen gleich ordentlich an¬ ſchaffen. — Das klang vernünftig, und die Tante war damit einverſtanden. Gretchen ging vor die Schub¬ lade und holte ein halbes Dutzend leinene Taſchentü¬ cher und zwei Paar Strümpfe. Das darf ich Dir ſchenken, ſagte ſie; zum Strik¬ ken haſt Du nicht viel Zeit gehabt, und die Taſchen¬ tücher ſind geſäumt und für Dich gezeichnet. Wenn Du zu uns kommſt, nimmſt Du nun aber auch die leinenen, ſcherzte Gretchen: Du weißt, wir können die baumwollenen nicht leiden.

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/37>, abgerufen am 23.11.2024.