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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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Klärchen starrte sie an. Ja, fuhr die Tante fort,
laß uns den lieben Herrn im Himmel bitten, daß er
uns Kraft giebt, daß er uns tröstet.

Der liebe Herr im Himmel? stöhnte Klärchen;
aber ihre Hände falteten sich, die seligen Stunden,
die sie mit diesem Herrn schon verlebt hatte, nahten
sich ihr plötzlich wie ein Trostes-Engel. Am ersten
Advent hatte ja ihr Kind eben so bleich auf ihrem
Schooße geruht; damals hatte sie Kraft, es dem Herrn
willig hinzugeben. O Herr, hilf mir! flehte sie,
und der Herr half. Ja wunderbar, schnell, augen¬
blicklich! eine selige Erhebung fühlte sie im Herzen,
der düstere Traum, die Angst war vorüber. Sie
konnte mit der Tante beten, sie konnte mit ergebenem
Herzen heiße Thränen weinen.

Und diese Thränen flossen noch oft, aber sie lö¬
sten die Last ihres Gewissens und machten sie zum
Kinde Gottes.


Klärchens äußeres Leben war bald wieder im
alten Geleise. Sie ging aus zum Nähen; weil sie
gesund war, und nichts sie mehr an's Haus fesselte,
wollte sie auch wieder arbeiten. So still und einför¬
mig ihre Tage aber auch äußerlich hingingen, so warm
und lebendig war es ihr im Herzen: ihre Gedanken
zogen immer mehr dem Himmel zu, dahin, wo ihr
Kindchen mit den Engeln spielt, und der Himmel kam
zu ihr hernieder mit seinem Frieden, seiner Seligkeit.
Sie verlangte und hoffte von diesem Leben nichts wei¬
ter, ja, wenn sie des Abends oder des Sonntags bei

Klärchen ſtarrte ſie an. Ja, fuhr die Tante fort,
laß uns den lieben Herrn im Himmel bitten, daß er
uns Kraft giebt, daß er uns tröſtet.

Der liebe Herr im Himmel? ſtöhnte Klärchen;
aber ihre Hände falteten ſich, die ſeligen Stunden,
die ſie mit dieſem Herrn ſchon verlebt hatte, nahten
ſich ihr plötzlich wie ein Troſtes-Engel. Am erſten
Advent hatte ja ihr Kind eben ſo bleich auf ihrem
Schooße geruht; damals hatte ſie Kraft, es dem Herrn
willig hinzugeben. O Herr, hilf mir! flehte ſie,
und der Herr half. Ja wunderbar, ſchnell, augen¬
blicklich! eine ſelige Erhebung fühlte ſie im Herzen,
der düſtere Traum, die Angſt war vorüber. Sie
konnte mit der Tante beten, ſie konnte mit ergebenem
Herzen heiße Thränen weinen.

Und dieſe Thränen floſſen noch oft, aber ſie lö¬
ſten die Laſt ihres Gewiſſens und machten ſie zum
Kinde Gottes.


Klärchens äußeres Leben war bald wieder im
alten Geleiſe. Sie ging aus zum Nähen; weil ſie
geſund war, und nichts ſie mehr an's Haus feſſelte,
wollte ſie auch wieder arbeiten. So ſtill und einför¬
mig ihre Tage aber auch äußerlich hingingen, ſo warm
und lebendig war es ihr im Herzen: ihre Gedanken
zogen immer mehr dem Himmel zu, dahin, wo ihr
Kindchen mit den Engeln ſpielt, und der Himmel kam
zu ihr hernieder mit ſeinem Frieden, ſeiner Seligkeit.
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[140/0146] Klärchen ſtarrte ſie an. Ja, fuhr die Tante fort, laß uns den lieben Herrn im Himmel bitten, daß er uns Kraft giebt, daß er uns tröſtet. Der liebe Herr im Himmel? ſtöhnte Klärchen; aber ihre Hände falteten ſich, die ſeligen Stunden, die ſie mit dieſem Herrn ſchon verlebt hatte, nahten ſich ihr plötzlich wie ein Troſtes-Engel. Am erſten Advent hatte ja ihr Kind eben ſo bleich auf ihrem Schooße geruht; damals hatte ſie Kraft, es dem Herrn willig hinzugeben. O Herr, hilf mir! flehte ſie, und der Herr half. Ja wunderbar, ſchnell, augen¬ blicklich! eine ſelige Erhebung fühlte ſie im Herzen, der düſtere Traum, die Angſt war vorüber. Sie konnte mit der Tante beten, ſie konnte mit ergebenem Herzen heiße Thränen weinen. Und dieſe Thränen floſſen noch oft, aber ſie lö¬ ſten die Laſt ihres Gewiſſens und machten ſie zum Kinde Gottes. Klärchens äußeres Leben war bald wieder im alten Geleiſe. Sie ging aus zum Nähen; weil ſie geſund war, und nichts ſie mehr an's Haus feſſelte, wollte ſie auch wieder arbeiten. So ſtill und einför¬ mig ihre Tage aber auch äußerlich hingingen, ſo warm und lebendig war es ihr im Herzen: ihre Gedanken zogen immer mehr dem Himmel zu, dahin, wo ihr Kindchen mit den Engeln ſpielt, und der Himmel kam zu ihr hernieder mit ſeinem Frieden, ſeiner Seligkeit. Sie verlangte und hoffte von dieſem Leben nichts wei¬ ter, ja, wenn ſie des Abends oder des Sonntags bei

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/146>, abgerufen am 27.11.2024.