Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.aber Dein Kind? Ich kenne das, ich habe auch so In der Kirche war sie einmal wieder gewesen, in Der Winter verging, der Frühling kam mit sei¬ aber Dein Kind? Ich kenne das, ich habe auch ſo In der Kirche war ſie einmal wieder geweſen, in Der Winter verging, der Frühling kam mit ſei¬ <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0120" n="114"/> aber Dein Kind? Ich kenne das, ich habe auch ſo<lb/> geſprochen; wie ich Dich aber erſt hatte, und wie ich<lb/> ſchwach und elend wurde, da kriegt' ich andere Gedan¬<lb/> ken. — Ja, das Kind! ſeufzte Klärchen. — Und<lb/> das war es auch, was ſie geduldig machte. Wohin<lb/> ſollte ſie mit dem Würmchen? Sie hätte kaum ſich<lb/> allein ernähren können, wie ſollte ſie dazu das Kind<lb/> noch pflegen und ernähren? Sie verſchluckte darum<lb/> manchen Aerger, ſie gewöhnte ſich ſogar, freundlich zu<lb/> ſcheinen, weil ſie merkte, daß ſo mit Günther noch<lb/> am beſten fertig werden war. Daß er oft ſchimpfte,<lb/> ſie auch wohl in der Betrunkenheit ſtieß, mußte ſie<lb/> ſich gefallen laſſen.</p><lb/> <p>In der Kirche war ſie einmal wieder geweſen, in<lb/> der trübſten Zeit, bald nach Faſtnacht. Und zwar in<lb/> die Stephani-Kirche zog es ſie. Der wunderbare<lb/> Eindruck von Weihnachten war ihr wieder vor die<lb/> Seele getreten. — Aber der Prediger ſprach diesmal<lb/> ſehr ernſt. Er ſchilderte die Leiden unſeres Herrn und<lb/> Heilandes, die er erduldet, um uns arme elende Sünder<lb/> zu erlöſen vom ewigen Tode. Dann ſprach er vom<lb/> Zuſtande eines unbelehrten Sünders, von ſeiner Angſt<lb/> und Unruhe in der Gegenwart, von der Strafe und<lb/> dem Gerichte der Zukunft. — Klärchen ward durch<lb/> dieſe Predigt ſo ergriffen, daß ſie ſich mehrere Tage<lb/> nicht beruhigen konnte und froh war, als die Zeit<lb/> den Eindruck zu verwiſchen ſchien. Sie war ſeitdem<lb/> nie wieder in der Kirche geweſen.</p><lb/> <p>Der Winter verging, der Frühling kam mit ſei¬<lb/> nen ſchönen Tagen, wo die Luft lau, wo die Veil¬<lb/> chen blühen, die Lerchen ſingen und die Saaten grü¬<lb/></p> </body> </text> </TEI> [114/0120]
aber Dein Kind? Ich kenne das, ich habe auch ſo
geſprochen; wie ich Dich aber erſt hatte, und wie ich
ſchwach und elend wurde, da kriegt' ich andere Gedan¬
ken. — Ja, das Kind! ſeufzte Klärchen. — Und
das war es auch, was ſie geduldig machte. Wohin
ſollte ſie mit dem Würmchen? Sie hätte kaum ſich
allein ernähren können, wie ſollte ſie dazu das Kind
noch pflegen und ernähren? Sie verſchluckte darum
manchen Aerger, ſie gewöhnte ſich ſogar, freundlich zu
ſcheinen, weil ſie merkte, daß ſo mit Günther noch
am beſten fertig werden war. Daß er oft ſchimpfte,
ſie auch wohl in der Betrunkenheit ſtieß, mußte ſie
ſich gefallen laſſen.
In der Kirche war ſie einmal wieder geweſen, in
der trübſten Zeit, bald nach Faſtnacht. Und zwar in
die Stephani-Kirche zog es ſie. Der wunderbare
Eindruck von Weihnachten war ihr wieder vor die
Seele getreten. — Aber der Prediger ſprach diesmal
ſehr ernſt. Er ſchilderte die Leiden unſeres Herrn und
Heilandes, die er erduldet, um uns arme elende Sünder
zu erlöſen vom ewigen Tode. Dann ſprach er vom
Zuſtande eines unbelehrten Sünders, von ſeiner Angſt
und Unruhe in der Gegenwart, von der Strafe und
dem Gerichte der Zukunft. — Klärchen ward durch
dieſe Predigt ſo ergriffen, daß ſie ſich mehrere Tage
nicht beruhigen konnte und froh war, als die Zeit
den Eindruck zu verwiſchen ſchien. Sie war ſeitdem
nie wieder in der Kirche geweſen.
Der Winter verging, der Frühling kam mit ſei¬
nen ſchönen Tagen, wo die Luft lau, wo die Veil¬
chen blühen, die Lerchen ſingen und die Saaten grü¬
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