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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

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Tönen die Kirche erfüllte, als viele hundert Stimmen
sich damit vereinten, und "Vom Himmel hoch da
komm' ich her" laut daher schallte, da ward es ihr
wunderbar zu Muthe. Sie vergaß Mantel und Hut,
und konnte es nicht lassen, die Worte aufmerksam mit
zu lesen und zu singen:

Es ist der Herre Christ unser Gott,
Der will euch führ'n aus aller Noth,
Er will eu'r Heiland selber sein,
Von allen Sünden machen rein.
Er bringt euch alle Seligkeit,
Die Gott der Vater hat bereit't,
Daß ihr mit uns im Himmelreich
Sollt mit uns leben ewiglich.

Einen Führer aus aller Noth! ob du den auch
noch nöthig haben wirst? dachte Klärchen. -- O wie
glücklich war ich unverheirathet! ein Tag immer heller
und lustiger als der andere, die Welt so lachend, --
warum bin ich nur in mein Unglück gelaufen? wer
weiß, wie es mir noch gehen wird? und ich habe
keinen Helfer aus der Noth. Der Heiland, den Tante
Rieke und Gretchen haben, ist nicht dein Heiland, du
kennst ihn nicht und magst ihn auch nicht kennen,
setzte sie muthlos hinzu. Die Stimme des Predigers
zog sie wieder von ihren Gedanken ab.

"Dies ist der Tag, den der Herr machet, lasset
uns freuen und fröhlich darinnen sein," so begann
er die Rede. Das Evangelium folgte, dann redete
er so warm und eindringlich vom Christkindlein, war¬
um es herab gekommen von seinem hohen Himmel,
was es uns gebracht, was es wieder von uns ver¬

Tönen die Kirche erfüllte, als viele hundert Stimmen
ſich damit vereinten, und „Vom Himmel hoch da
komm' ich her“ laut daher ſchallte, da ward es ihr
wunderbar zu Muthe. Sie vergaß Mantel und Hut,
und konnte es nicht laſſen, die Worte aufmerkſam mit
zu leſen und zu ſingen:

Es iſt der Herre Chriſt unſer Gott,
Der will euch führ'n aus aller Noth,
Er will eu'r Heiland ſelber ſein,
Von allen Sünden machen rein.
Er bringt euch alle Seligkeit,
Die Gott der Vater hat bereit't,
Daß ihr mit uns im Himmelreich
Sollt mit uns leben ewiglich.

Einen Führer aus aller Noth! ob du den auch
noch nöthig haben wirſt? dachte Klärchen. — O wie
glücklich war ich unverheirathet! ein Tag immer heller
und luſtiger als der andere, die Welt ſo lachend, —
warum bin ich nur in mein Unglück gelaufen? wer
weiß, wie es mir noch gehen wird? und ich habe
keinen Helfer aus der Noth. Der Heiland, den Tante
Rieke und Gretchen haben, iſt nicht dein Heiland, du
kennſt ihn nicht und magſt ihn auch nicht kennen,
ſetzte ſie muthlos hinzu. Die Stimme des Predigers
zog ſie wieder von ihren Gedanken ab.

„Dies iſt der Tag, den der Herr machet, laſſet
uns freuen und fröhlich darinnen ſein,“ ſo begann
er die Rede. Das Evangelium folgte, dann redete
er ſo warm und eindringlich vom Chriſtkindlein, war¬
um es herab gekommen von ſeinem hohen Himmel,
was es uns gebracht, was es wieder von uns ver¬

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[105/0111] Tönen die Kirche erfüllte, als viele hundert Stimmen ſich damit vereinten, und „Vom Himmel hoch da komm' ich her“ laut daher ſchallte, da ward es ihr wunderbar zu Muthe. Sie vergaß Mantel und Hut, und konnte es nicht laſſen, die Worte aufmerkſam mit zu leſen und zu ſingen: Es iſt der Herre Chriſt unſer Gott, Der will euch führ'n aus aller Noth, Er will eu'r Heiland ſelber ſein, Von allen Sünden machen rein. Er bringt euch alle Seligkeit, Die Gott der Vater hat bereit't, Daß ihr mit uns im Himmelreich Sollt mit uns leben ewiglich. Einen Führer aus aller Noth! ob du den auch noch nöthig haben wirſt? dachte Klärchen. — O wie glücklich war ich unverheirathet! ein Tag immer heller und luſtiger als der andere, die Welt ſo lachend, — warum bin ich nur in mein Unglück gelaufen? wer weiß, wie es mir noch gehen wird? und ich habe keinen Helfer aus der Noth. Der Heiland, den Tante Rieke und Gretchen haben, iſt nicht dein Heiland, du kennſt ihn nicht und magſt ihn auch nicht kennen, ſetzte ſie muthlos hinzu. Die Stimme des Predigers zog ſie wieder von ihren Gedanken ab. „Dies iſt der Tag, den der Herr machet, laſſet uns freuen und fröhlich darinnen ſein,“ ſo begann er die Rede. Das Evangelium folgte, dann redete er ſo warm und eindringlich vom Chriſtkindlein, war¬ um es herab gekommen von ſeinem hohen Himmel, was es uns gebracht, was es wieder von uns ver¬

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Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/111>, abgerufen am 23.11.2024.