Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

glücklicher sein. -- Hierbei lachte sie, hüpfte an den
Spiegel und ordnete noch einmal zum Ueberfluß ihren
Sonntagsstaat.

So gottvergessen wie Du habe ich nie geredet, ent-
gegnete die Mutter, und das Unglück ist doch über
mich gekommen, ich weiß nicht wie.

Das ist's eben, fiel ihr Klarchen wieder in die
Rede: Du weißt nicht wie. Gerade das nicht Wis-
sen das ist der Fehler, ich werde aber wissen! Und
nun um alles in der Welt, höre auf zu jammern.
Heute ist Sonntag. Ursach dazu hast Du nicht, und
ich sehe nicht ein, warum ich zuhören sollte. Mir
steht die ganze Welt offen, und die Welt ist schön,
wunderschön! Ich vermiethe mich, oder ich vermiethe
mich nicht, es muß immer gehen. Für jetzt ziehe ich
zur alten Frau Generalin, da habe ichs gut, und Geld
im Ueberfluß.

Und ich hungere, sagte die Mutter in weinerli-
chem Ton.

Dafür wird Tante Rieke sorgen müssen, die hat
das Geld im Kasten liegen. Es ist schändlich genug,
daß sie mich hat schneidern und sticheln lassen, damit
ich ihre einzige Schwester ernähre. Das hört mm aus.
Ich muß für ineine Zukunft sorgen, mein Lohn wird
gespart; wenn man das Geld in großen Partieen ein-
nimmt, kann man's besser festhalten, die einzelnen Vier-
groschenstücke trudeln unter den Händen fort. Tante
Rieke, die die christliche Barmherzigkeit immerfort im
Munde führt, mag sich auch mal mit den Händen re-
gen. Und kurz und gut, wenn kein Anderer da ist,
ist sie die Nächste. Und Mutterchen (setzte Klärchen

glücklicher ſein. — Hierbei lachte ſie, hüpfte an den
Spiegel und ordnete noch einmal zum Ueberfluß ihren
Sonntagsſtaat.

So gottvergeſſen wie Du habe ich nie geredet, ent-
gegnete die Mutter, und das Unglück iſt doch über
mich gekommen, ich weiß nicht wie.

Das iſt's eben, fiel ihr Klarchen wieder in die
Rede: Du weißt nicht wie. Gerade das nicht Wiſ-
ſen das iſt der Fehler, ich werde aber wiſſen! Und
nun um alles in der Welt, höre auf zu jammern.
Heute iſt Sonntag. Urſach dazu haſt Du nicht, und
ich ſehe nicht ein, warum ich zuhören ſollte. Mir
ſteht die ganze Welt offen, und die Welt iſt ſchön,
wunderſchön! Ich vermiethe mich, oder ich vermiethe
mich nicht, es muß immer gehen. Für jetzt ziehe ich
zur alten Frau Generalin, da habe ichs gut, und Geld
im Ueberfluß.

Und ich hungere, ſagte die Mutter in weinerli-
chem Ton.

Dafür wird Tante Rieke ſorgen müſſen, die hat
das Geld im Kaſten liegen. Es iſt ſchändlich genug,
daß ſie mich hat ſchneidern und ſticheln laſſen, damit
ich ihre einzige Schweſter ernähre. Das hört mm aus.
Ich muß für ineine Zukunft ſorgen, mein Lohn wird
geſpart; wenn man das Geld in großen Partieen ein-
nimmt, kann man's beſſer feſthalten, die einzelnen Vier-
groſchenſtücke trudeln unter den Händen fort. Tante
Rieke, die die chriſtliche Barmherzigkeit immerfort im
Munde führt, mag ſich auch mal mit den Händen re-
gen. Und kurz und gut, wenn kein Anderer da iſt,
iſt ſie die Nächſte. Und Mutterchen (ſetzte Klärchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0010" n="4"/>
glücklicher &#x017F;ein. &#x2014; Hierbei lachte &#x017F;ie, hüpfte an den<lb/>
Spiegel und ordnete noch einmal zum Ueberfluß ihren<lb/>
Sonntags&#x017F;taat.</p>
      <p>So gottverge&#x017F;&#x017F;en wie Du habe ich nie geredet, ent-<lb/>
gegnete die Mutter, und das Unglück i&#x017F;t doch über<lb/>
mich gekommen, ich weiß nicht wie.</p>
      <p>Das i&#x017F;t's eben, fiel ihr Klarchen wieder in die<lb/>
Rede: Du weißt nicht wie. Gerade das nicht Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en das i&#x017F;t der Fehler, ich werde aber wi&#x017F;&#x017F;en! Und<lb/>
nun um alles in der Welt, höre auf zu jammern.<lb/>
Heute i&#x017F;t Sonntag. Ur&#x017F;ach dazu ha&#x017F;t Du nicht, und<lb/>
ich &#x017F;ehe nicht ein, warum ich zuhören &#x017F;ollte. Mir<lb/>
&#x017F;teht die ganze Welt offen, und die Welt i&#x017F;t &#x017F;chön,<lb/>
wunder&#x017F;chön! Ich vermiethe mich, oder ich vermiethe<lb/>
mich nicht, es muß immer gehen. Für jetzt ziehe ich<lb/>
zur alten Frau Generalin, da habe ichs gut, und Geld<lb/>
im Ueberfluß.</p>
      <p>Und ich hungere, &#x017F;agte die Mutter in weinerli-<lb/>
chem Ton.</p>
      <p>Dafür wird Tante Rieke &#x017F;orgen mü&#x017F;&#x017F;en, die hat<lb/>
das Geld im Ka&#x017F;ten liegen. Es i&#x017F;t &#x017F;chändlich genug,<lb/>
daß &#x017F;ie mich hat &#x017F;chneidern und &#x017F;ticheln la&#x017F;&#x017F;en, damit<lb/>
ich ihre einzige Schwe&#x017F;ter ernähre. Das hört mm aus.<lb/>
Ich muß für ineine Zukunft &#x017F;orgen, mein Lohn wird<lb/>
ge&#x017F;part; wenn man das Geld in großen Partieen ein-<lb/>
nimmt, kann man's be&#x017F;&#x017F;er fe&#x017F;thalten, die einzelnen Vier-<lb/>
gro&#x017F;chen&#x017F;tücke trudeln unter den Händen fort. Tante<lb/>
Rieke, die die chri&#x017F;tliche Barmherzigkeit immerfort im<lb/>
Munde führt, mag &#x017F;ich auch mal mit den Händen re-<lb/>
gen. Und kurz und gut, wenn kein Anderer da i&#x017F;t,<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie die Näch&#x017F;te. Und Mutterchen (&#x017F;etzte Klärchen<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0010] glücklicher ſein. — Hierbei lachte ſie, hüpfte an den Spiegel und ordnete noch einmal zum Ueberfluß ihren Sonntagsſtaat. So gottvergeſſen wie Du habe ich nie geredet, ent- gegnete die Mutter, und das Unglück iſt doch über mich gekommen, ich weiß nicht wie. Das iſt's eben, fiel ihr Klarchen wieder in die Rede: Du weißt nicht wie. Gerade das nicht Wiſ- ſen das iſt der Fehler, ich werde aber wiſſen! Und nun um alles in der Welt, höre auf zu jammern. Heute iſt Sonntag. Urſach dazu haſt Du nicht, und ich ſehe nicht ein, warum ich zuhören ſollte. Mir ſteht die ganze Welt offen, und die Welt iſt ſchön, wunderſchön! Ich vermiethe mich, oder ich vermiethe mich nicht, es muß immer gehen. Für jetzt ziehe ich zur alten Frau Generalin, da habe ichs gut, und Geld im Ueberfluß. Und ich hungere, ſagte die Mutter in weinerli- chem Ton. Dafür wird Tante Rieke ſorgen müſſen, die hat das Geld im Kaſten liegen. Es iſt ſchändlich genug, daß ſie mich hat ſchneidern und ſticheln laſſen, damit ich ihre einzige Schweſter ernähre. Das hört mm aus. Ich muß für ineine Zukunft ſorgen, mein Lohn wird geſpart; wenn man das Geld in großen Partieen ein- nimmt, kann man's beſſer feſthalten, die einzelnen Vier- groſchenſtücke trudeln unter den Händen fort. Tante Rieke, die die chriſtliche Barmherzigkeit immerfort im Munde führt, mag ſich auch mal mit den Händen re- gen. Und kurz und gut, wenn kein Anderer da iſt, iſt ſie die Nächſte. Und Mutterchen (ſetzte Klärchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/10
Zitationshilfe: Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/10>, abgerufen am 23.11.2024.