dienten, kam keiner zum Vorschein sondern ein Stubenmädchen. Jch frug, wie so spät am Tag alles noch so öd und still in der Burg sey? Wo die Bedienten wären? Ob die Herrschaft auf sey? Jtem, ob mein Kontubernal schon wieder Halsgericht halt, oder wo er hingeschwunden sey? Die Dirn schlug, höchlich sich verwundernd, die Händ zusammen und sprach: ob ich nicht wiß, was die Nacht sey vorgefallen, nichts vernommen hätt von dem Unglück, das sich begeben hab auf dem Edelhofe? Jch schau- dert' zurück: Was für ein Unglück frug ich, da weiß ich kein Wort von, muß in einem Todtenschlaf gelegen haben. Was ists? Ueberfall oder Kriegsschall? Feuer oder Wassersnoth? Ein Uebel das im Abendsegen weggebetet wird; oder haben sich die schwarzen Nachtgespenster, nach- dem sie aus den Gesangbüchern vertrieben sind, hier eingenistet? Das alles nicht, erwiederte die Dirn', die sämtlichen Male-
fikan-
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dienten, kam keiner zum Vorſchein ſondern ein Stubenmaͤdchen. Jch frug, wie ſo ſpaͤt am Tag alles noch ſo oͤd und ſtill in der Burg ſey? Wo die Bedienten waͤren? Ob die Herrſchaft auf ſey? Jtem, ob mein Kontubernal ſchon wieder Halsgericht halt, oder wo er hingeſchwunden ſey? Die Dirn ſchlug, hoͤchlich ſich verwundernd, die Haͤnd zuſammen und ſprach: ob ich nicht wiß, was die Nacht ſey vorgefallen, nichts vernommen haͤtt von dem Ungluͤck, das ſich begeben hab auf dem Edelhofe? Jch ſchau- dert’ zuruͤck: Was fuͤr ein Ungluͤck frug ich, da weiß ich kein Wort von, muß in einem Todtenſchlaf gelegen haben. Was iſts? Ueberfall oder Kriegsſchall? Feuer oder Waſſersnoth? Ein Uebel das im Abendſegen weggebetet wird; oder haben ſich die ſchwarzen Nachtgeſpenſter, nach- dem ſie aus den Geſangbuͤchern vertrieben ſind, hier eingeniſtet? Das alles nicht, erwiederte die Dirn’, die ſaͤmtlichen Male-
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dienten, kam keiner zum Vorſchein ſondern
ein Stubenmaͤdchen. Jch frug, wie ſo
ſpaͤt am Tag alles noch ſo oͤd und ſtill in
der Burg ſey? Wo die Bedienten waͤren?
Ob die Herrſchaft auf ſey? Jtem, ob
mein Kontubernal ſchon wieder Halsgericht
halt, oder wo er hingeſchwunden ſey? Die
Dirn ſchlug, hoͤchlich ſich verwundernd, die
Haͤnd zuſammen und ſprach: ob ich nicht
wiß, was die Nacht ſey vorgefallen, nichts
vernommen haͤtt von dem Ungluͤck, das ſich
begeben hab auf dem Edelhofe? Jch ſchau-
dert’ zuruͤck: Was fuͤr ein Ungluͤck frug
ich, da weiß ich kein Wort von, muß in
einem Todtenſchlaf gelegen haben. Was
iſts? Ueberfall oder Kriegsſchall? Feuer
oder Waſſersnoth? Ein Uebel das im
Abendſegen weggebetet wird; oder haben
ſich die ſchwarzen Nachtgeſpenſter, nach-
dem ſie aus den Geſangbuͤchern vertrieben
ſind, hier eingeniſtet? Das alles nicht,
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/93>, abgerufen am 25.11.2024.
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