Herr Martin Ehlers über die Sittlichkeit der Vergnügungen findet bey jeder Schüssel ein Aber, wie der Philosoph bey jedem nur erdenklichen Vergnügen; wiewohl sich doch endlich nach allen Betrachtungen, weder der eine den Genuß der Lebensmittel, noch der andere den Genuß der Lebensfreuden ver- sagt. Beym Jmbiß fand ich die beste Ge- legenheit physiognomische Betrachtungen anzuheben. An der Hausfrau schienen mir die weissen, reinlichen, wohlgereyheten Zäh- ne, wie sie bey Personen, die von Ju- gend auf das Gebiß durch den Genuß des lieben trocknen Brodes Tag täglich abscheu- ren, gewöhnlich zu seyn pflegen, das be- deutsamste. Nach der Beobachtung des Meisters zeigen Zähne von dieser Beschaf- fenheit, gute, feine, reinliche, liebreche, treue Menschen an, und diese Deutung schien dem Charakter der Hausfrau zu ent- sprechen. Jch wundre mich daher gar
nicht,
Herr Martin Ehlers uͤber die Sittlichkeit der Vergnuͤgungen findet bey jeder Schuͤſſel ein Aber, wie der Philoſoph bey jedem nur erdenklichen Vergnuͤgen; wiewohl ſich doch endlich nach allen Betrachtungen, weder der eine den Genuß der Lebensmittel, noch der andere den Genuß der Lebensfreuden ver- ſagt. Beym Jmbiß fand ich die beſte Ge- legenheit phyſiognomiſche Betrachtungen anzuheben. An der Hausfrau ſchienen mir die weiſſen, reinlichen, wohlgereyheten Zaͤh- ne, wie ſie bey Perſonen, die von Ju- gend auf das Gebiß durch den Genuß des lieben trocknen Brodes Tag taͤglich abſcheu- ren, gewoͤhnlich zu ſeyn pflegen, das be- deutſamſte. Nach der Beobachtung des Meiſters zeigen Zaͤhne von dieſer Beſchaf- fenheit, gute, feine, reinliche, liebreche, treue Menſchen an, und dieſe Deutung ſchien dem Charakter der Hausfrau zu ent- ſprechen. Jch wundre mich daher gar
nicht,
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Herr Martin Ehlers uͤber die Sittlichkeit
der Vergnuͤgungen findet bey jeder Schuͤſſel
ein Aber, wie der Philoſoph bey jedem nur
erdenklichen Vergnuͤgen; wiewohl ſich doch
endlich nach allen Betrachtungen, weder der
eine den Genuß der Lebensmittel, noch der
andere den Genuß der Lebensfreuden ver-
ſagt. Beym Jmbiß fand ich die beſte Ge-
legenheit phyſiognomiſche Betrachtungen
anzuheben. An der Hausfrau ſchienen mir
die weiſſen, reinlichen, wohlgereyheten Zaͤh-
ne, wie ſie bey Perſonen, die von Ju-
gend auf das Gebiß durch den Genuß des
lieben trocknen Brodes Tag taͤglich abſcheu-
ren, gewoͤhnlich zu ſeyn pflegen, das be-
deutſamſte. Nach der Beobachtung des
Meiſters zeigen Zaͤhne von dieſer Beſchaf-
fenheit, gute, feine, reinliche, liebreche,
treue Menſchen an, und dieſe Deutung
ſchien dem Charakter der Hausfrau zu ent-
ſprechen. Jch wundre mich daher gar
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/282>, abgerufen am 28.11.2024.
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