ziehe, sprach er stolz: Den Weg der Ehre! Aber wie er mir wieder vor die Augen kam, sah ich ihn in der Herberge der Thorheit, am Prachtgeländer der Verschwendung, im Schuldthurm, am Rande des Verderbens. Hatte seines Wegs verfehlt, und war ein wenig zu weit linker Hand gekommen. Nicht lange darauf begegnet' mir ein ge- lehrter Fußgänger, den frug ich wo geht die Reise hin? Er: Zum Baum der Er- kenntniß und von da zum Tempel der Weisheit. Jch sah ihm nach, und sieh da! er verirrte sich ins Labyrinth der Vielwisser, spazierte nach der Windmühle der Prahle- rey, tanzte unter gemeiner Linde nach der Pfeife der Schöngeisterey, taglöhnerte in der Fabrik der unächten Fayancelitteratur, und bat um ein Nachtquartier im Armen- sünderhospital. War von seinem Wege zu weit seitab linker Hand gekommen. Dar- auf schritt ein Jüngferchen wohlgemuth mit
züchti-
ziehe, ſprach er ſtolz: Den Weg der Ehre! Aber wie er mir wieder vor die Augen kam, ſah ich ihn in der Herberge der Thorheit, am Prachtgelaͤnder der Verſchwendung, im Schuldthurm, am Rande des Verderbens. Hatte ſeines Wegs verfehlt, und war ein wenig zu weit linker Hand gekommen. Nicht lange darauf begegnet’ mir ein ge- lehrter Fußgaͤnger, den frug ich wo geht die Reiſe hin? Er: Zum Baum der Er- kenntniß und von da zum Tempel der Weisheit. Jch ſah ihm nach, und ſieh da! er verirrte ſich ins Labyrinth der Vielwiſſer, ſpazierte nach der Windmuͤhle der Prahle- rey, tanzte unter gemeiner Linde nach der Pfeife der Schoͤngeiſterey, tagloͤhnerte in der Fabrik der unaͤchten Fayancelitteratur, und bat um ein Nachtquartier im Armen- ſuͤnderhoſpital. War von ſeinem Wege zu weit ſeitab linker Hand gekommen. Dar- auf ſchritt ein Juͤngferchen wohlgemuth mit
zuͤchti-
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ziehe, ſprach er ſtolz: Den Weg der Ehre!
Aber wie er mir wieder vor die Augen kam,
ſah ich ihn in der Herberge der Thorheit,
am Prachtgelaͤnder der Verſchwendung, im
Schuldthurm, am Rande des Verderbens.
Hatte ſeines Wegs verfehlt, und war ein
wenig zu weit linker Hand gekommen.
Nicht lange darauf begegnet’ mir ein ge-
lehrter Fußgaͤnger, den frug ich wo geht
die Reiſe hin? Er: Zum Baum der Er-
kenntniß und von da zum Tempel der
Weisheit. Jch ſah ihm nach, und ſieh da!
er verirrte ſich ins Labyrinth der Vielwiſſer,
ſpazierte nach der Windmuͤhle der Prahle-
rey, tanzte unter gemeiner Linde nach der
Pfeife der Schoͤngeiſterey, tagloͤhnerte in
der Fabrik der unaͤchten Fayancelitteratur,
und bat um ein Nachtquartier im Armen-
ſuͤnderhoſpital. War von ſeinem Wege zu
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/264>, abgerufen am 25.11.2024.
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