Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht von Sachkundigen darüber reden, um
glaubhaft zu machen, daß die Gesichtsform
eines Menschen aus der bloßen Abschattung
des Daumens gefunden werden könne, ge-
schweige denn bey Unmündigen? Um mei-
nem Vortrage desto mehr Eingang zu ver-
schaffen, und die Gemüther der Zuhörer zur
Aufmerksamkeit vorzubereiten, besonders weil
ich wahrnahm, daß die Frau von Urlau
mit der Hausfrau über den bequemsten Zeit-
punkt zur großen Wäsche in einer weitläuf-
tigen Untersuchung begriffen war, hob ich
meine Rede in einem etwas feierlichen Ton
also an: Wir haben hier Höchst- und Hoch-
zuehrende Anwesende, ein sehr interessantes
Glied des menschlichen Leibes vor uns, das
in aller Absicht verdienet wohl erwogen zu
werden. Bey diesen Worten erhielt die
große Wäsche einen Aufschub, und die Frau
von Urlau bog sich nach dem Buche, um
das interessante Glied des menschlichen Lei-

bes,

nicht von Sachkundigen daruͤber reden, um
glaubhaft zu machen, daß die Geſichtsform
eines Menſchen aus der bloßen Abſchattung
des Daumens gefunden werden koͤnne, ge-
ſchweige denn bey Unmuͤndigen? Um mei-
nem Vortrage deſto mehr Eingang zu ver-
ſchaffen, und die Gemuͤther der Zuhoͤrer zur
Aufmerkſamkeit vorzubereiten, beſonders weil
ich wahrnahm, daß die Frau von Urlau
mit der Hausfrau uͤber den bequemſten Zeit-
punkt zur großen Waͤſche in einer weitlaͤuf-
tigen Unterſuchung begriffen war, hob ich
meine Rede in einem etwas feierlichen Ton
alſo an: Wir haben hier Hoͤchſt- und Hoch-
zuehrende Anweſende, ein ſehr intereſſantes
Glied des menſchlichen Leibes vor uns, das
in aller Abſicht verdienet wohl erwogen zu
werden. Bey dieſen Worten erhielt die
große Waͤſche einen Aufſchub, und die Frau
von Urlau bog ſich nach dem Buche, um
das intereſſante Glied des menſchlichen Lei-

bes,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0260" n="252"/>
nicht von Sachkundigen daru&#x0364;ber reden, um<lb/>
glaubhaft zu machen, daß die Ge&#x017F;ichtsform<lb/>
eines Men&#x017F;chen aus der bloßen Ab&#x017F;chattung<lb/>
des Daumens gefunden werden ko&#x0364;nne, ge-<lb/>
&#x017F;chweige denn bey Unmu&#x0364;ndigen? Um mei-<lb/>
nem Vortrage de&#x017F;to mehr Eingang zu ver-<lb/>
&#x017F;chaffen, und die Gemu&#x0364;ther der Zuho&#x0364;rer zur<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit vorzubereiten, be&#x017F;onders weil<lb/>
ich wahrnahm, daß die Frau von Urlau<lb/>
mit der Hausfrau u&#x0364;ber den bequem&#x017F;ten Zeit-<lb/>
punkt zur großen Wa&#x0364;&#x017F;che in einer weitla&#x0364;uf-<lb/>
tigen Unter&#x017F;uchung begriffen war, hob ich<lb/>
meine Rede in einem etwas feierlichen Ton<lb/>
al&#x017F;o an: Wir haben hier Ho&#x0364;ch&#x017F;t- und Hoch-<lb/>
zuehrende Anwe&#x017F;ende, ein &#x017F;ehr intere&#x017F;&#x017F;antes<lb/>
Glied des men&#x017F;chlichen Leibes vor uns, das<lb/>
in aller Ab&#x017F;icht verdienet wohl erwogen zu<lb/>
werden. Bey die&#x017F;en Worten erhielt die<lb/>
große Wa&#x0364;&#x017F;che einen Auf&#x017F;chub, und die Frau<lb/>
von Urlau bog &#x017F;ich nach dem Buche, um<lb/>
das intere&#x017F;&#x017F;ante Glied des men&#x017F;chlichen Lei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bes,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0260] nicht von Sachkundigen daruͤber reden, um glaubhaft zu machen, daß die Geſichtsform eines Menſchen aus der bloßen Abſchattung des Daumens gefunden werden koͤnne, ge- ſchweige denn bey Unmuͤndigen? Um mei- nem Vortrage deſto mehr Eingang zu ver- ſchaffen, und die Gemuͤther der Zuhoͤrer zur Aufmerkſamkeit vorzubereiten, beſonders weil ich wahrnahm, daß die Frau von Urlau mit der Hausfrau uͤber den bequemſten Zeit- punkt zur großen Waͤſche in einer weitlaͤuf- tigen Unterſuchung begriffen war, hob ich meine Rede in einem etwas feierlichen Ton alſo an: Wir haben hier Hoͤchſt- und Hoch- zuehrende Anweſende, ein ſehr intereſſantes Glied des menſchlichen Leibes vor uns, das in aller Abſicht verdienet wohl erwogen zu werden. Bey dieſen Worten erhielt die große Waͤſche einen Aufſchub, und die Frau von Urlau bog ſich nach dem Buche, um das intereſſante Glied des menſchlichen Lei- bes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/260
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/260>, abgerufen am 24.05.2024.