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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

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hundert, worinn wir leben, sind unsere
deutschen Mägen über Ehr und Schande
hinaus, wie eine Uebersetzer Fabrik, ver-
kochen und verdeutschen alles was von aus-
ländischen Produkten hinein kommt; indeß
bin ich kein Partisan der Theeschlürfer, ich
triuke gewöhnlich keinen. So sind Sie
Patron, versezt' er, und brachte mir einen
großen Pokal zu. Wie ich ihm Bescheid
gethan hatte fuhr er fort: Der Wein er-
freuet des Menschen Herz, kräftiget und
stärket es zu männlichen Thaten; der Thee
erschlasst das Nervensystem, schwächt den
Leib, macht ihn weich und weibisch, er-
zeugt Vapeurs, Migränen und alle Weiber-
krankheiten unserer schwachen hohläugigen
Knaben; entschnellkraftet den Geist, macht
ihn trübsinnig, grämlich, mißmüthig, unzu-
frieden. Dem Weintrinker ist diese Unter-
welt die beste; kein Theeschlürfer glaubt
eine beste Welt, meistert Schöpfer und Ge-

schöpfe,

hundert, worinn wir leben, ſind unſere
deutſchen Maͤgen uͤber Ehr und Schande
hinaus, wie eine Ueberſetzer Fabrik, ver-
kochen und verdeutſchen alles was von aus-
laͤndiſchen Produkten hinein kommt; indeß
bin ich kein Partiſan der Theeſchluͤrfer, ich
triuke gewoͤhnlich keinen. So ſind Sie
Patron, verſezt’ er, und brachte mir einen
großen Pokal zu. Wie ich ihm Beſcheid
gethan hatte fuhr er fort: Der Wein er-
freuet des Menſchen Herz, kraͤftiget und
ſtaͤrket es zu maͤnnlichen Thaten; der Thee
erſchlaſſt das Nervenſyſtem, ſchwaͤcht den
Leib, macht ihn weich und weibiſch, er-
zeugt Vapeurs, Migraͤnen und alle Weiber-
krankheiten unſerer ſchwachen hohlaͤugigen
Knaben; entſchnellkraftet den Geiſt, macht
ihn truͤbſinnig, graͤmlich, mißmuͤthig, unzu-
frieden. Dem Weintrinker iſt dieſe Unter-
welt die beſte; kein Theeſchluͤrfer glaubt
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[246/0254] hundert, worinn wir leben, ſind unſere deutſchen Maͤgen uͤber Ehr und Schande hinaus, wie eine Ueberſetzer Fabrik, ver- kochen und verdeutſchen alles was von aus- laͤndiſchen Produkten hinein kommt; indeß bin ich kein Partiſan der Theeſchluͤrfer, ich triuke gewoͤhnlich keinen. So ſind Sie Patron, verſezt’ er, und brachte mir einen großen Pokal zu. Wie ich ihm Beſcheid gethan hatte fuhr er fort: Der Wein er- freuet des Menſchen Herz, kraͤftiget und ſtaͤrket es zu maͤnnlichen Thaten; der Thee erſchlaſſt das Nervenſyſtem, ſchwaͤcht den Leib, macht ihn weich und weibiſch, er- zeugt Vapeurs, Migraͤnen und alle Weiber- krankheiten unſerer ſchwachen hohlaͤugigen Knaben; entſchnellkraftet den Geiſt, macht ihn truͤbſinnig, graͤmlich, mißmuͤthig, unzu- frieden. Dem Weintrinker iſt dieſe Unter- welt die beſte; kein Theeſchluͤrfer glaubt eine beſte Welt, meiſtert Schoͤpfer und Ge- ſchoͤpfe,

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/254>, abgerufen am 25.11.2024.