Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

die Heiligen im Himmel. -- Ey nun,
warum sollt' die Lästerzunge mich nicht auch
stechen? Aber Sie sollten verständiger seyn,
böse Gerüchte nicht durch Unbedacht und
Uebereilung bestärken, sondern solchen öf-
fentlich widersprechen und sie dadurch ent-
kräften. Wenn der Dorfbarbier kein Be-
cken mehr in seiner Gewalt hat: so mag das
der Justiziarius auf sein Gewissen nehmen,
mein Hirn ist Gott Lob noch nicht so ver-
trocknet, daß ich ihm eins mit dem Speer
abgedrungen hätt, um es für eine Pickel-
haub zu gebrauchen. Auch ist meine
Physiognomie ein reines Ganzes, alle
Theile sind einander homogen und voll-
kommen organisirt, ist nichts zusammen
Geflicktes darin zu spühren, daß das Fa-
cit der Narrheit herauskomme; noch we-
niger ist die Grundlinie meiner Stirn
um Zweydrittel kürzer als ihre Perpendi-
kularhöhe, wie es wohl bey dem gestren-

gen

die Heiligen im Himmel. — Ey nun,
warum ſollt’ die Laͤſterzunge mich nicht auch
ſtechen? Aber Sie ſollten verſtaͤndiger ſeyn,
boͤſe Geruͤchte nicht durch Unbedacht und
Uebereilung beſtaͤrken, ſondern ſolchen oͤf-
fentlich widerſprechen und ſie dadurch ent-
kraͤften. Wenn der Dorfbarbier kein Be-
cken mehr in ſeiner Gewalt hat: ſo mag das
der Juſtiziarius auf ſein Gewiſſen nehmen,
mein Hirn iſt Gott Lob noch nicht ſo ver-
trocknet, daß ich ihm eins mit dem Speer
abgedrungen haͤtt, um es fuͤr eine Pickel-
haub zu gebrauchen. Auch iſt meine
Phyſiognomie ein reines Ganzes, alle
Theile ſind einander homogen und voll-
kommen organiſirt, iſt nichts zuſammen
Geflicktes darin zu ſpuͤhren, daß das Fa-
cit der Narrheit herauskomme; noch we-
niger iſt die Grundlinie meiner Stirn
um Zweydrittel kuͤrzer als ihre Perpendi-
kularhoͤhe, wie es wohl bey dem geſtren-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0136" n="128"/>
die Heiligen im Himmel. &#x2014; Ey nun,<lb/>
warum &#x017F;ollt&#x2019; die La&#x0364;&#x017F;terzunge mich nicht auch<lb/>
&#x017F;techen? Aber Sie &#x017F;ollten ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger &#x017F;eyn,<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;e Geru&#x0364;chte nicht durch Unbedacht und<lb/>
Uebereilung be&#x017F;ta&#x0364;rken, &#x017F;ondern &#x017F;olchen o&#x0364;f-<lb/>
fentlich wider&#x017F;prechen und &#x017F;ie dadurch ent-<lb/>
kra&#x0364;ften. Wenn der Dorfbarbier kein Be-<lb/>
cken mehr in &#x017F;einer Gewalt hat: &#x017F;o mag das<lb/>
der Ju&#x017F;tiziarius auf &#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en nehmen,<lb/>
mein Hirn i&#x017F;t Gott Lob noch nicht &#x017F;o ver-<lb/>
trocknet, daß ich ihm eins mit dem Speer<lb/>
abgedrungen ha&#x0364;tt, um es fu&#x0364;r eine Pickel-<lb/>
haub zu gebrauchen. Auch i&#x017F;t meine<lb/>
Phy&#x017F;iognomie ein reines Ganzes, alle<lb/>
Theile &#x017F;ind einander homogen und voll-<lb/>
kommen organi&#x017F;irt, i&#x017F;t nichts zu&#x017F;ammen<lb/>
Geflicktes darin zu &#x017F;pu&#x0364;hren, daß das Fa-<lb/>
cit der Narrheit herauskomme; noch we-<lb/>
niger i&#x017F;t die Grundlinie meiner Stirn<lb/>
um Zweydrittel ku&#x0364;rzer als ihre Perpendi-<lb/>
kularho&#x0364;he, wie es wohl bey dem ge&#x017F;tren-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0136] die Heiligen im Himmel. — Ey nun, warum ſollt’ die Laͤſterzunge mich nicht auch ſtechen? Aber Sie ſollten verſtaͤndiger ſeyn, boͤſe Geruͤchte nicht durch Unbedacht und Uebereilung beſtaͤrken, ſondern ſolchen oͤf- fentlich widerſprechen und ſie dadurch ent- kraͤften. Wenn der Dorfbarbier kein Be- cken mehr in ſeiner Gewalt hat: ſo mag das der Juſtiziarius auf ſein Gewiſſen nehmen, mein Hirn iſt Gott Lob noch nicht ſo ver- trocknet, daß ich ihm eins mit dem Speer abgedrungen haͤtt, um es fuͤr eine Pickel- haub zu gebrauchen. Auch iſt meine Phyſiognomie ein reines Ganzes, alle Theile ſind einander homogen und voll- kommen organiſirt, iſt nichts zuſammen Geflicktes darin zu ſpuͤhren, daß das Fa- cit der Narrheit herauskomme; noch we- niger iſt die Grundlinie meiner Stirn um Zweydrittel kuͤrzer als ihre Perpendi- kularhoͤhe, wie es wohl bey dem geſtren- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/136
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 4. Altenburg, 1779, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen04_1779/136>, abgerufen am 25.11.2024.