dienst zusammen fchrumpft, wie die Amts- kleidung der ersten Magistratsperson ienes verarmten Reichsstädtleins, daß uns nichts als ein Sammetermel übrig bleibt: wissen wir auch diesen geltend zu machen, legen uns damit ins Fenster, und stellen die Re- liquie des Werthes unsrer ganzen Persön- lichkeit zur Schau aus; hüten uns dabey so viel möglich, durch eine falsche Wen- dung eine Blöße zu geben, die unsre Ar- muth verrathe.
Jch gebs zu, diese Art Gleißnerey, daß wir besser scheinen wollen, als wir sind, und deshalb trachten uns von der am we- nigsten verschmuzten Seite zu zeigen, ist ei- ne Schwachheit, die uns Erdenbürgern al- len gemein ist, von dem frommen Palafor an, bis auf den nichtswürdigsten Schur- ken. Aber ich befind nicht, daß die Men- schen deshalb hassenswerth seyn sollten: diese Gleißnerey ist oft unschuldig, und
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dienſt zuſammen fchrumpft, wie die Amts- kleidung der erſten Magiſtratsperſon ienes verarmten Reichsſtaͤdtleins, daß uns nichts als ein Sammetermel uͤbrig bleibt: wiſſen wir auch dieſen geltend zu machen, legen uns damit ins Fenſter, und ſtellen die Re- liquie des Werthes unſrer ganzen Perſoͤn- lichkeit zur Schau aus; huͤten uns dabey ſo viel moͤglich, durch eine falſche Wen- dung eine Bloͤße zu geben, die unſre Ar- muth verrathe.
Jch gebs zu, dieſe Art Gleißnerey, daß wir beſſer ſcheinen wollen, als wir ſind, und deshalb trachten uns von der am we- nigſten verſchmuzten Seite zu zeigen, iſt ei- ne Schwachheit, die uns Erdenbuͤrgern al- len gemein iſt, von dem frommen Palafor an, bis auf den nichtswuͤrdigſten Schur- ken. Aber ich befind nicht, daß die Men- ſchen deshalb haſſenswerth ſeyn ſollten: dieſe Gleißnerey iſt oft unſchuldig, und
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dienſt zuſammen fchrumpft, wie die Amts-
kleidung der erſten Magiſtratsperſon ienes
verarmten Reichsſtaͤdtleins, daß uns nichts
als ein Sammetermel uͤbrig bleibt: wiſſen
wir auch dieſen geltend zu machen, legen
uns damit ins Fenſter, und ſtellen die Re-
liquie des Werthes unſrer ganzen Perſoͤn-
lichkeit zur Schau aus; huͤten uns dabey
ſo viel moͤglich, durch eine falſche Wen-
dung eine Bloͤße zu geben, die unſre Ar-
muth verrathe.
Jch gebs zu, dieſe Art Gleißnerey, daß
wir beſſer ſcheinen wollen, als wir ſind,
und deshalb trachten uns von der am we-
nigſten verſchmuzten Seite zu zeigen, iſt ei-
ne Schwachheit, die uns Erdenbuͤrgern al-
len gemein iſt, von dem frommen Palafor
an, bis auf den nichtswuͤrdigſten Schur-
ken. Aber ich befind nicht, daß die Men-
ſchen deshalb haſſenswerth ſeyn ſollten:
dieſe Gleißnerey iſt oft unſchuldig, und
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/9>, abgerufen am 16.07.2024.
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