ziehen, daß sie keinen schiefen Gedanken ver- bergen könne, ist falsch. Die Nase ist of- fenbar des Weitriechenden; sie witterte von weitem die Sparpfennige aus, wo sie ir- gend im Schweißtuch einer Wittwe oder anderer treuherzigen Leute verborgen lagen; der Besitzer verstand sich darauf, sie als ei- ne Wünschelruthe zu gebrauchen. Noth- wendig schwebt Treu und Wahrheit auf die- sem Munde, wer wär sonst ein solcher Thor gewesen, dem Manne sein Geld anzuver- trauen? Jm Herzen lag der Betrug im Hinterhalte.
Diese ehrwürdigen Abschattungen, mit dem Wulst am Hinterhaupte, und iene die die Löwenmähne dicker Perucken gravitätisch zu schütteln scheinen, sind die geistlichen Be- förderer, die sich mascule gegen die Thür des Schafstalles stemmten, wenn ich da- durch eingehen sollte; immer von innen rie- fen, daß sie den Schlüssel suchten mir auf-
zuthun;
D 3
ziehen, daß ſie keinen ſchiefen Gedanken ver- bergen koͤnne, iſt falſch. Die Naſe iſt of- fenbar des Weitriechenden; ſie witterte von weitem die Sparpfennige aus, wo ſie ir- gend im Schweißtuch einer Wittwe oder anderer treuherzigen Leute verborgen lagen; der Beſitzer verſtand ſich darauf, ſie als ei- ne Wuͤnſchelruthe zu gebrauchen. Noth- wendig ſchwebt Treu und Wahrheit auf die- ſem Munde, wer waͤr ſonſt ein ſolcher Thor geweſen, dem Manne ſein Geld anzuver- trauen? Jm Herzen lag der Betrug im Hinterhalte.
Dieſe ehrwuͤrdigen Abſchattungen, mit dem Wulſt am Hinterhaupte, und iene die die Loͤwenmaͤhne dicker Perucken gravitaͤtiſch zu ſchuͤtteln ſcheinen, ſind die geiſtlichen Be- foͤrderer, die ſich maſcule gegen die Thuͤr des Schafſtalles ſtemmten, wenn ich da- durch eingehen ſollte; immer von innen rie- fen, daß ſie den Schluͤſſel ſuchten mir auf-
zuthun;
D 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0053"n="53"/>
ziehen, daß ſie keinen ſchiefen Gedanken ver-<lb/>
bergen koͤnne, iſt falſch. Die Naſe iſt of-<lb/>
fenbar des Weitriechenden; ſie witterte von<lb/>
weitem die Sparpfennige aus, wo ſie ir-<lb/>
gend im Schweißtuch einer Wittwe oder<lb/>
anderer treuherzigen Leute verborgen lagen;<lb/>
der Beſitzer verſtand ſich darauf, ſie als ei-<lb/>
ne Wuͤnſchelruthe zu gebrauchen. Noth-<lb/>
wendig ſchwebt Treu und Wahrheit auf die-<lb/>ſem Munde, wer waͤr ſonſt ein ſolcher Thor<lb/>
geweſen, dem Manne ſein Geld anzuver-<lb/>
trauen? Jm Herzen lag der Betrug im<lb/>
Hinterhalte.</p><lb/><p>Dieſe ehrwuͤrdigen Abſchattungen, mit<lb/>
dem Wulſt am Hinterhaupte, und iene die<lb/>
die Loͤwenmaͤhne dicker Perucken gravitaͤtiſch<lb/>
zu ſchuͤtteln ſcheinen, ſind die geiſtlichen Be-<lb/>
foͤrderer, die ſich <hirendition="#aq">maſcule</hi> gegen die Thuͤr<lb/>
des Schafſtalles ſtemmten, wenn ich da-<lb/>
durch eingehen ſollte; immer von innen rie-<lb/>
fen, daß ſie den Schluͤſſel ſuchten mir auf-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">zuthun;</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[53/0053]
ziehen, daß ſie keinen ſchiefen Gedanken ver-
bergen koͤnne, iſt falſch. Die Naſe iſt of-
fenbar des Weitriechenden; ſie witterte von
weitem die Sparpfennige aus, wo ſie ir-
gend im Schweißtuch einer Wittwe oder
anderer treuherzigen Leute verborgen lagen;
der Beſitzer verſtand ſich darauf, ſie als ei-
ne Wuͤnſchelruthe zu gebrauchen. Noth-
wendig ſchwebt Treu und Wahrheit auf die-
ſem Munde, wer waͤr ſonſt ein ſolcher Thor
geweſen, dem Manne ſein Geld anzuver-
trauen? Jm Herzen lag der Betrug im
Hinterhalte.
Dieſe ehrwuͤrdigen Abſchattungen, mit
dem Wulſt am Hinterhaupte, und iene die
die Loͤwenmaͤhne dicker Perucken gravitaͤtiſch
zu ſchuͤtteln ſcheinen, ſind die geiſtlichen Be-
foͤrderer, die ſich maſcule gegen die Thuͤr
des Schafſtalles ſtemmten, wenn ich da-
durch eingehen ſollte; immer von innen rie-
fen, daß ſie den Schluͤſſel ſuchten mir auf-
zuthun;
D 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/53>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.