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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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schen mit Thatkraft anzeigen, die Anlage
und Fähigkeit besitzen außer sich zu wirken,
und das ist auch nach meinem Formular die
Deutung dieser Köpfe überhaupt. -- Aber
was sagt Jhnen Jhr physiognomisch Gefühl
über diesem Kopf insonderheit?

"Ein braves, verständiges Gesicht. Die
ofne heitre Stirn ist keines verworrenen
schiefen Gedankens fähig. Die Nase offen-
bar des Weitriechenden. Auf dem Munde
schwebt Treu und Wahrheitsliebe. Das ist
mein Urtheil, doch unter dem Vorbehalt,
wenn dem nicht also ist, daß diese Linea-
menten um eine Haarbreite können verfehlt
seyn."

Vortreflich! das ist eben der Galgen-
dieb, der Kirchschaffner, der mich um mein
Erbe, und die Kirche, der er vorstund, um
ihr Aerarium betrog. Das Diebsfältgen ist
freilich in der Silhouette nicht ausgedrückt;
aber auch am Original wars nicht anders

als
D 2

ſchen mit Thatkraft anzeigen, die Anlage
und Faͤhigkeit beſitzen außer ſich zu wirken,
und das iſt auch nach meinem Formular die
Deutung dieſer Koͤpfe uͤberhaupt. — Aber
was ſagt Jhnen Jhr phyſiognomiſch Gefuͤhl
uͤber dieſem Kopf inſonderheit?

„Ein braves, verſtaͤndiges Geſicht. Die
ofne heitre Stirn iſt keines verworrenen
ſchiefen Gedankens faͤhig. Die Naſe offen-
bar des Weitriechenden. Auf dem Munde
ſchwebt Treu und Wahrheitsliebe. Das iſt
mein Urtheil, doch unter dem Vorbehalt,
wenn dem nicht alſo iſt, daß dieſe Linea-
menten um eine Haarbreite koͤnnen verfehlt
ſeyn.“

Vortreflich! das iſt eben der Galgen-
dieb, der Kirchſchaffner, der mich um mein
Erbe, und die Kirche, der er vorſtund, um
ihr Aerarium betrog. Das Diebsfaͤltgen iſt
freilich in der Silhouette nicht ausgedruͤckt;
aber auch am Original wars nicht anders

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[51/0051] ſchen mit Thatkraft anzeigen, die Anlage und Faͤhigkeit beſitzen außer ſich zu wirken, und das iſt auch nach meinem Formular die Deutung dieſer Koͤpfe uͤberhaupt. — Aber was ſagt Jhnen Jhr phyſiognomiſch Gefuͤhl uͤber dieſem Kopf inſonderheit? „Ein braves, verſtaͤndiges Geſicht. Die ofne heitre Stirn iſt keines verworrenen ſchiefen Gedankens faͤhig. Die Naſe offen- bar des Weitriechenden. Auf dem Munde ſchwebt Treu und Wahrheitsliebe. Das iſt mein Urtheil, doch unter dem Vorbehalt, wenn dem nicht alſo iſt, daß dieſe Linea- menten um eine Haarbreite koͤnnen verfehlt ſeyn.“ Vortreflich! das iſt eben der Galgen- dieb, der Kirchſchaffner, der mich um mein Erbe, und die Kirche, der er vorſtund, um ihr Aerarium betrog. Das Diebsfaͤltgen iſt freilich in der Silhouette nicht ausgedruͤckt; aber auch am Original wars nicht anders als D 2

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/51>, abgerufen am 06.05.2024.