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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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Viele, die als schwere Quatern auf Jhnen
ruhen wollen. -- Wir langten eben da vor
einem Wirthshauß an, wo wir beschlossen
hatten Mittag zu halten und auch zu her-
bergen; denn unsre Tour war etwas stark.
Deshalb blieb ich meinem Gefährtsmann,
von dem ich schon gewohnt war mit unter
eine Sottise zu hören, diesmal die Antwort
schuldig.

Nach der Mahlzeit öfnete er seine Brief-
tasche, und legte mir ein Dutzend oder mehr
Silhouetten und Vollgesichter daraus vor.
Wie lesen Sie diese Gesichtsformen? fing
er an. Jch betrachtet' sie mit aller Auf-
merksamkeit, um mich nicht in meinem Ur-
theil zu übereilen. Nachdem ich sie satt-
sam geprüft, sprach ich: ob wir wohl über
das physiognomische Alphabet nicht einig
sind, und Einer von uns das leicht für ein
X ansieht, was dem Andern ein U gilt: so
kan ich doch nach meiner Ueberzeugung

nichts
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Viele, die als ſchwere Quatern auf Jhnen
ruhen wollen. — Wir langten eben da vor
einem Wirthshauß an, wo wir beſchloſſen
hatten Mittag zu halten und auch zu her-
bergen; denn unſre Tour war etwas ſtark.
Deshalb blieb ich meinem Gefaͤhrtsmann,
von dem ich ſchon gewohnt war mit unter
eine Sottiſe zu hoͤren, diesmal die Antwort
ſchuldig.

Nach der Mahlzeit oͤfnete er ſeine Brief-
taſche, und legte mir ein Dutzend oder mehr
Silhouetten und Vollgeſichter daraus vor.
Wie leſen Sie dieſe Geſichtsformen? fing
er an. Jch betrachtet’ ſie mit aller Auf-
merkſamkeit, um mich nicht in meinem Ur-
theil zu uͤbereilen. Nachdem ich ſie ſatt-
ſam gepruͤft, ſprach ich: ob wir wohl uͤber
das phyſiognomiſche Alphabet nicht einig
ſind, und Einer von uns das leicht fuͤr ein
X anſieht, was dem Andern ein U gilt: ſo
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[49/0049] Viele, die als ſchwere Quatern auf Jhnen ruhen wollen. — Wir langten eben da vor einem Wirthshauß an, wo wir beſchloſſen hatten Mittag zu halten und auch zu her- bergen; denn unſre Tour war etwas ſtark. Deshalb blieb ich meinem Gefaͤhrtsmann, von dem ich ſchon gewohnt war mit unter eine Sottiſe zu hoͤren, diesmal die Antwort ſchuldig. Nach der Mahlzeit oͤfnete er ſeine Brief- taſche, und legte mir ein Dutzend oder mehr Silhouetten und Vollgeſichter daraus vor. Wie leſen Sie dieſe Geſichtsformen? fing er an. Jch betrachtet’ ſie mit aller Auf- merkſamkeit, um mich nicht in meinem Ur- theil zu uͤbereilen. Nachdem ich ſie ſatt- ſam gepruͤft, ſprach ich: ob wir wohl uͤber das phyſiognomiſche Alphabet nicht einig ſind, und Einer von uns das leicht fuͤr ein X anſieht, was dem Andern ein U gilt: ſo kan ich doch nach meiner Ueberzeugung nichts D

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/49>, abgerufen am 18.04.2024.