Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Sammetrock zerfezte, weil er um des Rocks
willen geehrt wurde. Denn als er eines
Tages mit einer verschabten Fracke ange-
than unter das Volk ging, sezts im Ge-
dränge manchen Stoß für ihn ab, mußt ie-
dem Lump ausweichen und sich kümmerlich
an den Häusern wegdrücken, welches ihn
denn mächtig verdroß, darum ging er heim,
legt' sein Ehrenkleid an und stolziert wieder
durch die nämliche Straße, worauf ihm ie-
dermann Platz machte; die Leute grüßten
ihn freundlich, und gaben ihm die Ehre,
die dem Doktor gebührte. Das verdroß
ihm nur noch mehr, daß der Mann um des
Rockes willen geehrt ward, und die alte
Fracke nicht um des Mannes willen. Dar-
auf sprach er zornmüthig zu seinem Feier-
kleide: bist du der hochberühmte Doktor
oder bin ichs? Und gilt ein Diplom vom
Schneider mehr als eins von der Fakultät?
Nicht also! Wandert alsbald mit seinem

Sam-

Sammetrock zerfezte, weil er um des Rocks
willen geehrt wurde. Denn als er eines
Tages mit einer verſchabten Fracke ange-
than unter das Volk ging, ſezts im Ge-
draͤnge manchen Stoß fuͤr ihn ab, mußt ie-
dem Lump ausweichen und ſich kuͤmmerlich
an den Haͤuſern wegdruͤcken, welches ihn
denn maͤchtig verdroß, darum ging er heim,
legt’ ſein Ehrenkleid an und ſtolziert wieder
durch die naͤmliche Straße, worauf ihm ie-
dermann Platz machte; die Leute gruͤßten
ihn freundlich, und gaben ihm die Ehre,
die dem Doktor gebuͤhrte. Das verdroß
ihm nur noch mehr, daß der Mann um des
Rockes willen geehrt ward, und die alte
Fracke nicht um des Mannes willen. Dar-
auf ſprach er zornmuͤthig zu ſeinem Feier-
kleide: biſt du der hochberuͤhmte Doktor
oder bin ichs? Und gilt ein Diplom vom
Schneider mehr als eins von der Fakultaͤt?
Nicht alſo! Wandert alsbald mit ſeinem

Sam-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0175" n="175"/>
Sammetrock zerfezte, weil er um des Rocks<lb/>
willen geehrt wurde. Denn als er eines<lb/>
Tages mit einer ver&#x017F;chabten Fracke ange-<lb/>
than unter das Volk ging, &#x017F;ezts im Ge-<lb/>
dra&#x0364;nge manchen Stoß fu&#x0364;r ihn ab, mußt ie-<lb/>
dem Lump ausweichen und &#x017F;ich ku&#x0364;mmerlich<lb/>
an den Ha&#x0364;u&#x017F;ern wegdru&#x0364;cken, welches ihn<lb/>
denn ma&#x0364;chtig verdroß, darum ging er heim,<lb/>
legt&#x2019; &#x017F;ein Ehrenkleid an und &#x017F;tolziert wieder<lb/>
durch die na&#x0364;mliche Straße, worauf ihm ie-<lb/>
dermann Platz machte; die Leute gru&#x0364;ßten<lb/>
ihn freundlich, und gaben ihm die Ehre,<lb/>
die dem Doktor gebu&#x0364;hrte. Das verdroß<lb/>
ihm nur noch mehr, daß der Mann um des<lb/>
Rockes willen geehrt ward, und die alte<lb/>
Fracke nicht um des Mannes willen. Dar-<lb/>
auf &#x017F;prach er zornmu&#x0364;thig zu &#x017F;einem Feier-<lb/>
kleide: bi&#x017F;t du der hochberu&#x0364;hmte Doktor<lb/>
oder bin ichs? Und gilt ein Diplom vom<lb/>
Schneider mehr als eins von der Fakulta&#x0364;t?<lb/>
Nicht al&#x017F;o! Wandert alsbald mit &#x017F;einem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sam-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0175] Sammetrock zerfezte, weil er um des Rocks willen geehrt wurde. Denn als er eines Tages mit einer verſchabten Fracke ange- than unter das Volk ging, ſezts im Ge- draͤnge manchen Stoß fuͤr ihn ab, mußt ie- dem Lump ausweichen und ſich kuͤmmerlich an den Haͤuſern wegdruͤcken, welches ihn denn maͤchtig verdroß, darum ging er heim, legt’ ſein Ehrenkleid an und ſtolziert wieder durch die naͤmliche Straße, worauf ihm ie- dermann Platz machte; die Leute gruͤßten ihn freundlich, und gaben ihm die Ehre, die dem Doktor gebuͤhrte. Das verdroß ihm nur noch mehr, daß der Mann um des Rockes willen geehrt ward, und die alte Fracke nicht um des Mannes willen. Dar- auf ſprach er zornmuͤthig zu ſeinem Feier- kleide: biſt du der hochberuͤhmte Doktor oder bin ichs? Und gilt ein Diplom vom Schneider mehr als eins von der Fakultaͤt? Nicht alſo! Wandert alsbald mit ſeinem Sam-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/175
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/175>, abgerufen am 18.12.2024.