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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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Der Schooßhund der Dame, der mir
mehr physiognomische Kenntniß zu haben
schien, als der ganze Eslingerische Reitstall,
vermerkt' im ersten Augenblick, daß ich bey
seiner Donna eben nicht zum besten accredi-
tirt sey; denn er brummt' und bellt' so oft
ich ihn ansah, und weil seine Gebietherin
ihn dafür nicht ohrfeigte, war mir das Be-
weiß satt, daß sie ihn zu ihrem rechtlichen
Anwald bestätigte, mir ihre Gesinnungen
auf eine legale Art kund zu machen.

Alles das, was ich hier nur nach eingen
Grundzügen hinskizzirt hab', war physio-
guomisch in einem Fünftheil einer halben
Minute sehr deutlich und ordentlich abge-
handelt, und nun kams zum zweiten Theil
der Conversation, nämlich zur wörtlichen
Unterredung. 'S kan nicht fehlen, daß die
physiognomische Ansprache bey ieder Zusam-
menkunft mehrerer Personen vorhergeht, oft
giebt sie den Ton der gesellschaftlichen Un-

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Der Schooßhund der Dame, der mir
mehr phyſiognomiſche Kenntniß zu haben
ſchien, als der ganze Eslingeriſche Reitſtall,
vermerkt’ im erſten Augenblick, daß ich bey
ſeiner Donna eben nicht zum beſten accredi-
tirt ſey; denn er brummt’ und bellt’ ſo oft
ich ihn anſah, und weil ſeine Gebietherin
ihn dafuͤr nicht ohrfeigte, war mir das Be-
weiß ſatt, daß ſie ihn zu ihrem rechtlichen
Anwald beſtaͤtigte, mir ihre Geſinnungen
auf eine legale Art kund zu machen.

Alles das, was ich hier nur nach eingen
Grundzuͤgen hinſkizzirt hab’, war phyſio-
guomiſch in einem Fuͤnftheil einer halben
Minute ſehr deutlich und ordentlich abge-
handelt, und nun kams zum zweiten Theil
der Converſation, naͤmlich zur woͤrtlichen
Unterredung. ’S kan nicht fehlen, daß die
phyſiognomiſche Anſprache bey ieder Zuſam-
menkunft mehrerer Perſonen vorhergeht, oft
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[151/0151] Der Schooßhund der Dame, der mir mehr phyſiognomiſche Kenntniß zu haben ſchien, als der ganze Eslingeriſche Reitſtall, vermerkt’ im erſten Augenblick, daß ich bey ſeiner Donna eben nicht zum beſten accredi- tirt ſey; denn er brummt’ und bellt’ ſo oft ich ihn anſah, und weil ſeine Gebietherin ihn dafuͤr nicht ohrfeigte, war mir das Be- weiß ſatt, daß ſie ihn zu ihrem rechtlichen Anwald beſtaͤtigte, mir ihre Geſinnungen auf eine legale Art kund zu machen. Alles das, was ich hier nur nach eingen Grundzuͤgen hinſkizzirt hab’, war phyſio- guomiſch in einem Fuͤnftheil einer halben Minute ſehr deutlich und ordentlich abge- handelt, und nun kams zum zweiten Theil der Converſation, naͤmlich zur woͤrtlichen Unterredung. ’S kan nicht fehlen, daß die phyſiognomiſche Anſprache bey ieder Zuſam- menkunft mehrerer Perſonen vorhergeht, oft giebt ſie den Ton der geſellſchaftlichen Un- terre- K 4

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/151>, abgerufen am 26.11.2024.