Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Reise gar darüber verschwatzt'; denn
das Maul ging den Quasihumoristen wie
eine Mühle.

Als ich zum Leipziger Thor hinein ritt,
trug ich Sorge, das möchte mir auch be-
gegnen; denn eh' man sich durch so eine
Stadt durchphysiognomisirt, giebt's leicht
eben so viel Aufenthalt, als wenn man sich
durchempfindelt. Freut' mich schon im
Geist der herrlichen physiognomischen Acqui-
sitionen, die ich von da mit wegnehmen
würde. Meiner Meynung nach mußt' hier
alles Physiognom seyn, vom Magnisikus
an bis auf den Meßhelfer. Daher sondirt'
ich in aller Früh meinen Barbier über
dieses Kapitel, der doch auch ein Glied
in dieser ausgespannten Kette war; aber
den befand ich bald als einen großen Jdio-
ten, der physiognomische Kunst mit physi-
kalischen Künsten verwechselt. Denn er
rühmt mir den Juden Philadelphia als ei-

nen

ſeine Reiſe gar daruͤber verſchwatzt’; denn
das Maul ging den Quaſihumoriſten wie
eine Muͤhle.

Als ich zum Leipziger Thor hinein ritt,
trug ich Sorge, das moͤchte mir auch be-
gegnen; denn eh’ man ſich durch ſo eine
Stadt durchphyſiognomiſirt, giebt’s leicht
eben ſo viel Aufenthalt, als wenn man ſich
durchempfindelt. Freut’ mich ſchon im
Geiſt der herrlichen phyſiognomiſchen Acqui-
ſitionen, die ich von da mit wegnehmen
wuͤrde. Meiner Meynung nach mußt’ hier
alles Phyſiognom ſeyn, vom Magniſikus
an bis auf den Meßhelfer. Daher ſondirt’
ich in aller Fruͤh meinen Barbier uͤber
dieſes Kapitel, der doch auch ein Glied
in dieſer ausgeſpannten Kette war; aber
den befand ich bald als einen großen Jdio-
ten, der phyſiognomiſche Kunſt mit phyſi-
kaliſchen Kuͤnſten verwechſelt. Denn er
ruͤhmt mir den Juden Philadelphia als ei-

nen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="29"/>
&#x017F;eine Rei&#x017F;e gar daru&#x0364;ber ver&#x017F;chwatzt&#x2019;; denn<lb/>
das Maul ging den Qua&#x017F;ihumori&#x017F;ten wie<lb/>
eine Mu&#x0364;hle.</p><lb/>
        <p>Als ich zum Leipziger Thor hinein ritt,<lb/>
trug ich Sorge, das mo&#x0364;chte mir auch be-<lb/>
gegnen; denn eh&#x2019; man &#x017F;ich durch &#x017F;o eine<lb/>
Stadt durchphy&#x017F;iognomi&#x017F;irt, giebt&#x2019;s leicht<lb/>
eben &#x017F;o viel Aufenthalt, als wenn man &#x017F;ich<lb/>
durchempfindelt. Freut&#x2019; mich &#x017F;chon im<lb/>
Gei&#x017F;t der herrlichen phy&#x017F;iognomi&#x017F;chen Acqui-<lb/>
&#x017F;itionen, die ich von da mit wegnehmen<lb/>
wu&#x0364;rde. Meiner Meynung nach mußt&#x2019; hier<lb/>
alles Phy&#x017F;iognom &#x017F;eyn, vom Magni&#x017F;ikus<lb/>
an bis auf den Meßhelfer. Daher &#x017F;ondirt&#x2019;<lb/>
ich in aller Fru&#x0364;h meinen Barbier u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;es Kapitel, der doch auch ein Glied<lb/>
in die&#x017F;er ausge&#x017F;pannten Kette war; aber<lb/>
den befand ich bald als einen großen Jdio-<lb/>
ten, der phy&#x017F;iognomi&#x017F;che Kun&#x017F;t mit phy&#x017F;i-<lb/>
kali&#x017F;chen Ku&#x0364;n&#x017F;ten verwech&#x017F;elt. Denn er<lb/>
ru&#x0364;hmt mir den Juden Philadelphia als ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0029] ſeine Reiſe gar daruͤber verſchwatzt’; denn das Maul ging den Quaſihumoriſten wie eine Muͤhle. Als ich zum Leipziger Thor hinein ritt, trug ich Sorge, das moͤchte mir auch be- gegnen; denn eh’ man ſich durch ſo eine Stadt durchphyſiognomiſirt, giebt’s leicht eben ſo viel Aufenthalt, als wenn man ſich durchempfindelt. Freut’ mich ſchon im Geiſt der herrlichen phyſiognomiſchen Acqui- ſitionen, die ich von da mit wegnehmen wuͤrde. Meiner Meynung nach mußt’ hier alles Phyſiognom ſeyn, vom Magniſikus an bis auf den Meßhelfer. Daher ſondirt’ ich in aller Fruͤh meinen Barbier uͤber dieſes Kapitel, der doch auch ein Glied in dieſer ausgeſpannten Kette war; aber den befand ich bald als einen großen Jdio- ten, der phyſiognomiſche Kunſt mit phyſi- kaliſchen Kuͤnſten verwechſelt. Denn er ruͤhmt mir den Juden Philadelphia als ei- nen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/29
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/29>, abgerufen am 24.11.2024.