Ganz recht! ich entsinn' mich der Passa- ge, doch da ist von der Physiognomie des Lasters die Red'.
"Und das ist die Physiognomie der Men- schen, wenigstens so weit ich sie kenne, seit- dem ich Thatsachen und Gesichtszüge ge- spähet, und mit einander verglichen habe. So lehrt mich die Kunst, nach dem Erwa- chen des physiognomischen Sinnes in mir, die Menschen würdern. Nun urtheilen Sie, ob Menschenliebe, oder Menschenhaß durch Physiognomik befördert werde?"
Sind Sie ein Schriftsteller Herr?
"Nein, und warum?"
Jch hatte Sie im Verdacht, daß Sie vielleicht die wahrscheinlichste Geschichte un- ter der Sonne, oder den Roman Belphegor genannt, geschrieben hätten; desto lieber ist mirs zu vernehmen, daß Sie diesen Unsinn
nicht
Ganz recht! ich entſinn’ mich der Paſſa- ge, doch da iſt von der Phyſiognomie des Laſters die Red’.
„Und das iſt die Phyſiognomie der Men- ſchen, wenigſtens ſo weit ich ſie kenne, ſeit- dem ich Thatſachen und Geſichtszuͤge ge- ſpaͤhet, und mit einander verglichen habe. So lehrt mich die Kunſt, nach dem Erwa- chen des phyſiognomiſchen Sinnes in mir, die Menſchen wuͤrdern. Nun urtheilen Sie, ob Menſchenliebe, oder Menſchenhaß durch Phyſiognomik befoͤrdert werde?„
Sind Sie ein Schriftſteller Herr?
„Nein, und warum?„
Jch hatte Sie im Verdacht, daß Sie vielleicht die wahrſcheinlichſte Geſchichte un- ter der Sonne, oder den Roman Belphegor genannt, geſchrieben haͤtten; deſto lieber iſt mirs zu vernehmen, daß Sie dieſen Unſinn
nicht
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Ganz recht! ich entſinn’ mich der Paſſa-
ge, doch da iſt von der Phyſiognomie des
Laſters die Red’.
„Und das iſt die Phyſiognomie der Men-
ſchen, wenigſtens ſo weit ich ſie kenne, ſeit-
dem ich Thatſachen und Geſichtszuͤge ge-
ſpaͤhet, und mit einander verglichen habe.
So lehrt mich die Kunſt, nach dem Erwa-
chen des phyſiognomiſchen Sinnes in mir,
die Menſchen wuͤrdern. Nun urtheilen Sie,
ob Menſchenliebe, oder Menſchenhaß durch
Phyſiognomik befoͤrdert werde?„
Sind Sie ein Schriftſteller Herr?
„Nein, und warum?„
Jch hatte Sie im Verdacht, daß Sie
vielleicht die wahrſcheinlichſte Geſchichte un-
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genannt, geſchrieben haͤtten; deſto lieber iſt
mirs zu vernehmen, daß Sie dieſen Unſinn
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/223>, abgerufen am 16.02.2025.
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