sters können daher nichts thun, als ihm auf der Bahn seiner Empfindungen in dürftiger Knechtlichkeit nachtreten. Wenn er ihnen zuruft: wer sieht nicht! so ist diese Ellipse durch den Zusatz zu ergänzen, wenn er mit meinen Augen sieht, das heist, was er sieht eben so empfindet, als ich"
Nun ja so solls auch seyn. Wie alle, die gesunde Augen haben, vermöge des Ge- sichts, die sichtbaren Ding' auf einerley Art empfinden: so auch die, welche gefunden Gefühlssinn haben, fühlen und empfinden gleichfalls dadurch auf einerley Art. Mit- hin macht L. nicht sein Gefühl allein, son- dern das gleichmäßige aller Physiognomen zum Richter seiner Aussprüch'. Er selbst ist nur Sprecher und Worthalter, das Con- clusum aber ist des Senats aller Gesichts- forscher unterm Mond.
"Und die urtheilen ganz anders. Aber diese Urtheile bleiben archivarische Urkun-
den,
ſters koͤnnen daher nichts thun, als ihm auf der Bahn ſeiner Empfindungen in duͤrftiger Knechtlichkeit nachtreten. Wenn er ihnen zuruft: wer ſieht nicht! ſo iſt dieſe Ellipſe durch den Zuſatz zu ergaͤnzen, wenn er mit meinen Augen ſieht, das heiſt, was er ſieht eben ſo empfindet, als ich„
Nun ja ſo ſolls auch ſeyn. Wie alle, die geſunde Augen haben, vermoͤge des Ge- ſichts, die ſichtbaren Ding’ auf einerley Art empfinden: ſo auch die, welche gefunden Gefuͤhlsſinn haben, fuͤhlen und empfinden gleichfalls dadurch auf einerley Art. Mit- hin macht L. nicht ſein Gefuͤhl allein, ſon- dern das gleichmaͤßige aller Phyſiognomen zum Richter ſeiner Ausſpruͤch’. Er ſelbſt iſt nur Sprecher und Worthalter, das Con- cluſum aber iſt des Senats aller Geſichts- forſcher unterm Mond.
„Und die urtheilen ganz anders. Aber dieſe Urtheile bleiben archivariſche Urkun-
den,
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[204/0204]
ſters koͤnnen daher nichts thun, als ihm auf
der Bahn ſeiner Empfindungen in duͤrftiger
Knechtlichkeit nachtreten. Wenn er ihnen
zuruft: wer ſieht nicht! ſo iſt dieſe Ellipſe
durch den Zuſatz zu ergaͤnzen, wenn er mit
meinen Augen ſieht, das heiſt, was er
ſieht eben ſo empfindet, als ich„
Nun ja ſo ſolls auch ſeyn. Wie alle,
die geſunde Augen haben, vermoͤge des Ge-
ſichts, die ſichtbaren Ding’ auf einerley Art
empfinden: ſo auch die, welche gefunden
Gefuͤhlsſinn haben, fuͤhlen und empfinden
gleichfalls dadurch auf einerley Art. Mit-
hin macht L. nicht ſein Gefuͤhl allein, ſon-
dern das gleichmaͤßige aller Phyſiognomen
zum Richter ſeiner Ausſpruͤch’. Er ſelbſt
iſt nur Sprecher und Worthalter, das Con-
cluſum aber iſt des Senats aller Geſichts-
forſcher unterm Mond.
„Und die urtheilen ganz anders. Aber
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/204>, abgerufen am 16.02.2025.
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