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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

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wahr, die Menschheit schaudert vor dieser
gräßlichen Physiognomie zurück! -- Gott,
was giebts für Ungeheuer unter den Men-
schen!

Konnt' mich nicht länger mehr enthal-
ten, hier ein Wort drein zu sprechen, um
das Aug' der Dame auf den rechten Seh-
punkt zu rücken. Gleichwol, redet' ich ihr
ein, ist der Mann auf der Vignett' an alle
dem sehr unschuldig, was Jhr' Gnaden aus
seiner Physiognomie lesen; denn er hat
wohl keine Menschenseel knuten, patocken,
spiesen, zersägen, oder in die Haken wer-
fen lassen. Mit seinem hölzernen Schwerdt
mag er zu Zeiten um sich schwadronirt ha-
ben; aber dafür hat er von Andern wieder
derbe Püff' einnehmen müssen. Kennen
Sie diesen Vezier, und wissen Sie wie er
mit Namen heißt?

Wie er heißt? antwortet' die Dame ein
wenig übelnehmend, was liegt daran, ob

er
L 3

wahr, die Menſchheit ſchaudert vor dieſer
graͤßlichen Phyſiognomie zuruͤck! — Gott,
was giebts fuͤr Ungeheuer unter den Men-
ſchen!

Konnt’ mich nicht laͤnger mehr enthal-
ten, hier ein Wort drein zu ſprechen, um
das Aug’ der Dame auf den rechten Seh-
punkt zu ruͤcken. Gleichwol, redet’ ich ihr
ein, iſt der Mann auf der Vignett’ an alle
dem ſehr unſchuldig, was Jhr’ Gnaden aus
ſeiner Phyſiognomie leſen; denn er hat
wohl keine Menſchenſeel knuten, patocken,
ſpieſen, zerſaͤgen, oder in die Haken wer-
fen laſſen. Mit ſeinem hoͤlzernen Schwerdt
mag er zu Zeiten um ſich ſchwadronirt ha-
ben; aber dafuͤr hat er von Andern wieder
derbe Puͤff’ einnehmen muͤſſen. Kennen
Sie dieſen Vezier, und wiſſen Sie wie er
mit Namen heißt?

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[165/0165] wahr, die Menſchheit ſchaudert vor dieſer graͤßlichen Phyſiognomie zuruͤck! — Gott, was giebts fuͤr Ungeheuer unter den Men- ſchen! Konnt’ mich nicht laͤnger mehr enthal- ten, hier ein Wort drein zu ſprechen, um das Aug’ der Dame auf den rechten Seh- punkt zu ruͤcken. Gleichwol, redet’ ich ihr ein, iſt der Mann auf der Vignett’ an alle dem ſehr unſchuldig, was Jhr’ Gnaden aus ſeiner Phyſiognomie leſen; denn er hat wohl keine Menſchenſeel knuten, patocken, ſpieſen, zerſaͤgen, oder in die Haken wer- fen laſſen. Mit ſeinem hoͤlzernen Schwerdt mag er zu Zeiten um ſich ſchwadronirt ha- ben; aber dafuͤr hat er von Andern wieder derbe Puͤff’ einnehmen muͤſſen. Kennen Sie dieſen Vezier, und wiſſen Sie wie er mit Namen heißt? Wie er heißt? antwortet’ die Dame ein wenig uͤbelnehmend, was liegt daran, ob er L 3

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/165>, abgerufen am 21.11.2024.