Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Emfindeley vorzubringen und das all ins
Licht zu setzen gedacht', weil ich an dem
Kaufmann einen horchsamen Zuhörer fand,
unterbrach mich der Briefträger im schönsten
Fluß meiner Red'. Mein Auditor lief mir
aus der Schul', und ich mußt' das kalon
kagadon, das der Götterboth' auf seinen
Reisen so gern auspackt, nothgedrungen bey
mir behalten, weil ich Niemand fand, dem
damit gedient war.

Dennoch trug diese Morgenstunde für
mich Gold im Munde: denn sie bracht' mir
einen dreyfachen Gewinn ein. Erstlich
vergewissert' sie meinen physiognomischen
Glauben. Kein Mensch kann mirs ableug-
nen, daß ich diesmal durch mein Urtheil
wie der Handauflegende Apostel aufgeschlos-
sen hab, was verschlossen da war; hab den
Charakter des Mannes so rein aus seinen
Gesichtszügen herausgehoben, wie einen
Eyerkäs aus der Form, ohne was dran zu

ver-

Emfindeley vorzubringen und das all ins
Licht zu ſetzen gedacht’, weil ich an dem
Kaufmann einen horchſamen Zuhoͤrer fand,
unterbrach mich der Brieftraͤger im ſchoͤnſten
Fluß meiner Red’. Mein Auditor lief mir
aus der Schul’, und ich mußt’ das ϰαλον
ϰ̕αγαδον, das der Goͤtterboth’ auf ſeinen
Reiſen ſo gern auspackt, nothgedrungen bey
mir behalten, weil ich Niemand fand, dem
damit gedient war.

Dennoch trug dieſe Morgenſtunde fuͤr
mich Gold im Munde: denn ſie bracht’ mir
einen dreyfachen Gewinn ein. Erſtlich
vergewiſſert’ ſie meinen phyſiognomiſchen
Glauben. Kein Menſch kann mirs ableug-
nen, daß ich diesmal durch mein Urtheil
wie der Handauflegende Apoſtel aufgeſchloſ-
ſen hab, was verſchloſſen da war; hab den
Charakter des Mannes ſo rein aus ſeinen
Geſichtszuͤgen herausgehoben, wie einen
Eyerkaͤs aus der Form, ohne was dran zu

ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="146"/>
Emfindeley vorzubringen und das all ins<lb/>
Licht zu &#x017F;etzen gedacht&#x2019;, weil ich an dem<lb/>
Kaufmann einen horch&#x017F;amen Zuho&#x0364;rer fand,<lb/>
unterbrach mich der Brieftra&#x0364;ger im &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten<lb/>
Fluß meiner Red&#x2019;. Mein Auditor lief mir<lb/>
aus der Schul&#x2019;, und ich mußt&#x2019; das &#x03F0;&#x03B1;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD;<lb/>
&#x03F0;&#x0315;&#x03B1;&#x03B3;&#x03B1;&#x03B4;&#x03BF;&#x03BD;, das der Go&#x0364;tterboth&#x2019; auf &#x017F;einen<lb/>
Rei&#x017F;en &#x017F;o gern auspackt, nothgedrungen bey<lb/>
mir behalten, weil ich Niemand fand, dem<lb/>
damit gedient war.</p><lb/>
        <p>Dennoch trug die&#x017F;e Morgen&#x017F;tunde fu&#x0364;r<lb/>
mich Gold im Munde: denn &#x017F;ie bracht&#x2019; mir<lb/>
einen dreyfachen Gewinn ein. Er&#x017F;tlich<lb/>
vergewi&#x017F;&#x017F;ert&#x2019; &#x017F;ie meinen phy&#x017F;iognomi&#x017F;chen<lb/>
Glauben. Kein Men&#x017F;ch kann mirs ableug-<lb/>
nen, daß ich diesmal durch mein Urtheil<lb/>
wie der Handauflegende Apo&#x017F;tel aufge&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en hab, was ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en da war; hab den<lb/>
Charakter des Mannes &#x017F;o rein aus &#x017F;einen<lb/>
Ge&#x017F;ichtszu&#x0364;gen herausgehoben, wie einen<lb/>
Eyerka&#x0364;s aus der Form, ohne was dran zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0146] Emfindeley vorzubringen und das all ins Licht zu ſetzen gedacht’, weil ich an dem Kaufmann einen horchſamen Zuhoͤrer fand, unterbrach mich der Brieftraͤger im ſchoͤnſten Fluß meiner Red’. Mein Auditor lief mir aus der Schul’, und ich mußt’ das ϰαλον ϰ̕αγαδον, das der Goͤtterboth’ auf ſeinen Reiſen ſo gern auspackt, nothgedrungen bey mir behalten, weil ich Niemand fand, dem damit gedient war. Dennoch trug dieſe Morgenſtunde fuͤr mich Gold im Munde: denn ſie bracht’ mir einen dreyfachen Gewinn ein. Erſtlich vergewiſſert’ ſie meinen phyſiognomiſchen Glauben. Kein Menſch kann mirs ableug- nen, daß ich diesmal durch mein Urtheil wie der Handauflegende Apoſtel aufgeſchloſ- ſen hab, was verſchloſſen da war; hab den Charakter des Mannes ſo rein aus ſeinen Geſichtszuͤgen herausgehoben, wie einen Eyerkaͤs aus der Form, ohne was dran zu ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/146
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/146>, abgerufen am 21.11.2024.