ger Fisch, der immer auf dem Grund steht, nicht gern herum schwimmt und Nahrung sucht. Da hat mich ein alter Fischmeister ein Geheimniß gelehrt, wie man ihm könn gelenk und hurtig machen, daß ihm sein un- thätig Phlegma vertrieben werd'. Wenn nemlich der Karpfensatz ein Jahr oder was länger gestanden, und schon etwas heran- gewachsen, werf ich kleine Hechtlein in den Teich. Da ist's nun lustig zu sehen, wie die kleinen Schecker' die Karpfen herum treiben und sie wissen in Bewegung zu setzen, daß sie in die Höh kommen und Nahrung suchen, können ihnen gleichwol nichts an- haben. Sind aber die Hecht' etwas zu mächtig, verschlingen sie den Karpfensatz allgemach, und am End hat einer Hecht im Teich, und keine Karpfen. So ists mit Verstand und Schwärmerey beschaffen, wo die zu mächtig ist, verschlingt sie einen gar, daß man seine Stätt' nicht mehr finden
kann;
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ger Fiſch, der immer auf dem Grund ſteht, nicht gern herum ſchwimmt und Nahrung ſucht. Da hat mich ein alter Fiſchmeiſter ein Geheimniß gelehrt, wie man ihm koͤnn gelenk und hurtig machen, daß ihm ſein un- thaͤtig Phlegma vertrieben werd’. Wenn nemlich der Karpfenſatz ein Jahr oder was laͤnger geſtanden, und ſchon etwas heran- gewachſen, werf ich kleine Hechtlein in den Teich. Da iſt’s nun luſtig zu ſehen, wie die kleinen Schecker’ die Karpfen herum treiben und ſie wiſſen in Bewegung zu ſetzen, daß ſie in die Hoͤh kommen und Nahrung ſuchen, koͤnnen ihnen gleichwol nichts an- haben. Sind aber die Hecht’ etwas zu maͤchtig, verſchlingen ſie den Karpfenſatz allgemach, und am End hat einer Hecht im Teich, und keine Karpfen. So iſts mit Verſtand und Schwaͤrmerey beſchaffen, wo die zu maͤchtig iſt, verſchlingt ſie einen gar, daß man ſeine Staͤtt’ nicht mehr finden
kann;
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ger Fiſch, der immer auf dem Grund ſteht,
nicht gern herum ſchwimmt und Nahrung
ſucht. Da hat mich ein alter Fiſchmeiſter
ein Geheimniß gelehrt, wie man ihm koͤnn
gelenk und hurtig machen, daß ihm ſein un-
thaͤtig Phlegma vertrieben werd’. Wenn
nemlich der Karpfenſatz ein Jahr oder was
laͤnger geſtanden, und ſchon etwas heran-
gewachſen, werf ich kleine Hechtlein in den
Teich. Da iſt’s nun luſtig zu ſehen, wie
die kleinen Schecker’ die Karpfen herum
treiben und ſie wiſſen in Bewegung zu ſetzen,
daß ſie in die Hoͤh kommen und Nahrung
ſuchen, koͤnnen ihnen gleichwol nichts an-
haben. Sind aber die Hecht’ etwas zu
maͤchtig, verſchlingen ſie den Karpfenſatz
allgemach, und am End hat einer Hecht
im Teich, und keine Karpfen. So iſts mit
Verſtand und Schwaͤrmerey beſchaffen, wo
die zu maͤchtig iſt, verſchlingt ſie einen gar,
daß man ſeine Staͤtt’ nicht mehr finden
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/121>, abgerufen am 16.02.2025.
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