Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

der naturae Curiosorum, wie dieses aus
ihren Schriften zur Gnüge erhelle.

Endlich wurden noch ein halb Dutzend
silhouettirte Köpfe meiner Bauern ausge-
hängt, und zur Uebung durchphysiognomi-
siret, worauf die Versammlung auseinan-
der schied. Mit Vorbedacht hatte ich des
Markus meines Schäfers Profil mit einge-
mischt, da denn die sonderbare Ueberein-
stimmung mit dem Rüdgerodtischen, beym
ersten Anblick allen und iedem in die Augen
fiel. Vermeinten einige der Herren ich
habe sie damit aufs Eis führen wollen;
mir wars aber um Gewißheit in der Sa-
che zu thun, damit dem Tockmäuser nichts
zur Ungebühr geschähe.

Doktor Grobian lief mich auch noch mit
einer schnackischen Anmerkung an. Er be-
trachtete meine eigne Silhouette unter dem
Spiegel, und die Aushängsel gegen über
eins ums andre mit großer Aufmerksamkeit,
und betheuerte, daß er zwischen beyden ei-
ne frappante Aehnlichkeit fände. Das fuhr
mir nicht wenig wider die Stirn, weil ich
es für Spötterey hielt; er aber wußte alle
Züge so zu anatomiren und mit einander zu
vergleichen, daß durch eine überwiegende

Mehr-

der naturae Curioſorum, wie dieſes aus
ihren Schriften zur Gnuͤge erhelle.

Endlich wurden noch ein halb Dutzend
ſilhouettirte Koͤpfe meiner Bauern ausge-
haͤngt, und zur Uebung durchphyſiognomi-
ſiret, worauf die Verſammlung auseinan-
der ſchied. Mit Vorbedacht hatte ich des
Markus meines Schaͤfers Profil mit einge-
miſcht, da denn die ſonderbare Ueberein-
ſtimmung mit dem Ruͤdgerodtiſchen, beym
erſten Anblick allen und iedem in die Augen
fiel. Vermeinten einige der Herren ich
habe ſie damit aufs Eis fuͤhren wollen;
mir wars aber um Gewißheit in der Sa-
che zu thun, damit dem Tockmaͤuſer nichts
zur Ungebuͤhr geſchaͤhe.

Doktor Grobian lief mich auch noch mit
einer ſchnackiſchen Anmerkung an. Er be-
trachtete meine eigne Silhouette unter dem
Spiegel, und die Aushaͤngſel gegen uͤber
eins ums andre mit großer Aufmerkſamkeit,
und betheuerte, daß er zwiſchen beyden ei-
ne frappante Aehnlichkeit faͤnde. Das fuhr
mir nicht wenig wider die Stirn, weil ich
es fuͤr Spoͤtterey hielt; er aber wußte alle
Zuͤge ſo zu anatomiren und mit einander zu
vergleichen, daß durch eine uͤberwiegende

Mehr-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="88"/>
der <hi rendition="#aq">naturae Curio&#x017F;orum,</hi> wie die&#x017F;es aus<lb/>
ihren Schriften zur Gnu&#x0364;ge erhelle.</p><lb/>
          <p>Endlich wurden noch ein halb Dutzend<lb/>
&#x017F;ilhouettirte Ko&#x0364;pfe meiner Bauern ausge-<lb/>
ha&#x0364;ngt, und zur Uebung durchphy&#x017F;iognomi-<lb/>
&#x017F;iret, worauf die Ver&#x017F;ammlung auseinan-<lb/>
der &#x017F;chied. Mit Vorbedacht hatte ich des<lb/>
Markus meines Scha&#x0364;fers Profil mit einge-<lb/>
mi&#x017F;cht, da denn die &#x017F;onderbare Ueberein-<lb/>
&#x017F;timmung mit dem Ru&#x0364;dgerodti&#x017F;chen, beym<lb/>
er&#x017F;ten Anblick allen und iedem in die Augen<lb/>
fiel. Vermeinten einige der Herren ich<lb/>
habe &#x017F;ie damit aufs Eis fu&#x0364;hren wollen;<lb/>
mir wars aber um Gewißheit in der Sa-<lb/>
che zu thun, damit dem Tockma&#x0364;u&#x017F;er nichts<lb/>
zur Ungebu&#x0364;hr ge&#x017F;cha&#x0364;he.</p><lb/>
          <p>Doktor Grobian lief mich auch noch mit<lb/>
einer &#x017F;chnacki&#x017F;chen Anmerkung an. Er be-<lb/>
trachtete meine eigne Silhouette unter dem<lb/>
Spiegel, und die Ausha&#x0364;ng&#x017F;el gegen u&#x0364;ber<lb/>
eins ums andre mit großer Aufmerk&#x017F;amkeit,<lb/>
und betheuerte, daß er zwi&#x017F;chen beyden ei-<lb/>
ne frappante Aehnlichkeit fa&#x0364;nde. Das fuhr<lb/>
mir nicht wenig wider die Stirn, weil ich<lb/>
es fu&#x0364;r Spo&#x0364;tterey hielt; er aber wußte alle<lb/>
Zu&#x0364;ge &#x017F;o zu anatomiren und mit einander zu<lb/>
vergleichen, daß durch eine u&#x0364;berwiegende<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mehr-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0094] der naturae Curioſorum, wie dieſes aus ihren Schriften zur Gnuͤge erhelle. Endlich wurden noch ein halb Dutzend ſilhouettirte Koͤpfe meiner Bauern ausge- haͤngt, und zur Uebung durchphyſiognomi- ſiret, worauf die Verſammlung auseinan- der ſchied. Mit Vorbedacht hatte ich des Markus meines Schaͤfers Profil mit einge- miſcht, da denn die ſonderbare Ueberein- ſtimmung mit dem Ruͤdgerodtiſchen, beym erſten Anblick allen und iedem in die Augen fiel. Vermeinten einige der Herren ich habe ſie damit aufs Eis fuͤhren wollen; mir wars aber um Gewißheit in der Sa- che zu thun, damit dem Tockmaͤuſer nichts zur Ungebuͤhr geſchaͤhe. Doktor Grobian lief mich auch noch mit einer ſchnackiſchen Anmerkung an. Er be- trachtete meine eigne Silhouette unter dem Spiegel, und die Aushaͤngſel gegen uͤber eins ums andre mit großer Aufmerkſamkeit, und betheuerte, daß er zwiſchen beyden ei- ne frappante Aehnlichkeit faͤnde. Das fuhr mir nicht wenig wider die Stirn, weil ich es fuͤr Spoͤtterey hielt; er aber wußte alle Zuͤge ſo zu anatomiren und mit einander zu vergleichen, daß durch eine uͤberwiegende Mehr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/94
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/94>, abgerufen am 04.05.2024.