ficirt. Weil nun diese Seuch' für die ganze Nation üble Folgen fürchten ließ, versucht's der Nordalbinger eine heilsame Krisis zu be- wirken, die dem ganzen politischen Körper nütz wär: stund aus, auf Märkten und Kreuz- wegen, und rief laut, daß man's hören konnt' überall: wer vom Edukationswurm geplagt würd' sollt' sich ihm anvertrauen, er woll ihm helfen. Da bekam er nun, weil's was neues war, was er vorbracht', bald Zulauf. Hatt' aber aus der Acht gelassen, sich mit ei- nem kaiserlichen Privilegium zu versehen; also künstelten andre sein Arcanum nach, und er, als ein guter biedrer Mann, ließ sie kochen und quirlen was sie wollten, Salben und Pflaster. Gab ihnen Lehrbrief, als hätten sie bey ihm ausgelernt; obgleich Dr. Bahrdt der Jungmeister, seine Recepte viel anders schrieb als der Oberälteste. Aus ienes Officin ist der Wigand, mag wohl nur Handlanger ge- wesen seyn. Hat mir frey bekannt, daß er biß zu seinem Rufe nach Heidesheim keine einzige Schrift gelesen, die ihm zur Päda- gogik hätt Anweisung gegeben, die Erzie- hungskunst sey ihm weiter nicht als aus Zei- tungen und Journalen bekannt gewesen. Aber wie Meister Bahrdt bloß und allein
durch
ficirt. Weil nun dieſe Seuch’ fuͤr die ganze Nation uͤble Folgen fuͤrchten ließ, verſucht’s der Nordalbinger eine heilſame Kriſis zu be- wirken, die dem ganzen politiſchen Koͤrper nuͤtz waͤr: ſtund aus, auf Maͤrkten und Kreuz- wegen, und rief laut, daß man’s hoͤren konnt’ uͤberall: wer vom Edukationswurm geplagt wuͤrd’ ſollt’ ſich ihm anvertrauen, er woll ihm helfen. Da bekam er nun, weil’s was neues war, was er vorbracht’, bald Zulauf. Hatt’ aber aus der Acht gelaſſen, ſich mit ei- nem kaiſerlichen Privilegium zu verſehen; alſo kuͤnſtelten andre ſein Arcanum nach, und er, als ein guter biedrer Mann, ließ ſie kochen und quirlen was ſie wollten, Salben und Pflaſter. Gab ihnen Lehrbrief, als haͤtten ſie bey ihm ausgelernt; obgleich Dr. Bahrdt der Jungmeiſter, ſeine Recepte viel anders ſchrieb als der Oberaͤlteſte. Aus ienes Officin iſt der Wigand, mag wohl nur Handlanger ge- weſen ſeyn. Hat mir frey bekannt, daß er biß zu ſeinem Rufe nach Heidesheim keine einzige Schrift geleſen, die ihm zur Paͤda- gogik haͤtt Anweiſung gegeben, die Erzie- hungskunſt ſey ihm weiter nicht als aus Zei- tungen und Journalen bekannt geweſen. Aber wie Meiſter Bahrdt bloß und allein
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ficirt. Weil nun dieſe Seuch’ fuͤr die ganze
Nation uͤble Folgen fuͤrchten ließ, verſucht’s
der Nordalbinger eine heilſame Kriſis zu be-
wirken, die dem ganzen politiſchen Koͤrper
nuͤtz waͤr: ſtund aus, auf Maͤrkten und Kreuz-
wegen, und rief laut, daß man’s hoͤren konnt’
uͤberall: wer vom Edukationswurm geplagt
wuͤrd’ ſollt’ ſich ihm anvertrauen, er woll
ihm helfen. Da bekam er nun, weil’s was
neues war, was er vorbracht’, bald Zulauf.
Hatt’ aber aus der Acht gelaſſen, ſich mit ei-
nem kaiſerlichen Privilegium zu verſehen; alſo
kuͤnſtelten andre ſein Arcanum nach, und er,
als ein guter biedrer Mann, ließ ſie kochen
und quirlen was ſie wollten, Salben und
Pflaſter. Gab ihnen Lehrbrief, als haͤtten ſie
bey ihm ausgelernt; obgleich Dr. Bahrdt der
Jungmeiſter, ſeine Recepte viel anders ſchrieb
als der Oberaͤlteſte. Aus ienes Officin iſt
der Wigand, mag wohl nur Handlanger ge-
weſen ſeyn. Hat mir frey bekannt, daß er
biß zu ſeinem Rufe nach Heidesheim keine
einzige Schrift geleſen, die ihm zur Paͤda-
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/76>, abgerufen am 08.07.2024.
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