kosten das Räthsel zu lösen, nicht halb so viel als der Grübler Volkmar braucht, ei- nen sinnreichen Logogryph im Merkur zu entziffern, daß er darüber den Gerichtstag verabsäumt.
Wenn ich dieß Prolem geneu auf der Wage meines Verstandes abwig, in der einen Schaal' den Verlust der zwölf Ham- mel, in der andern die Ehre aus meinem physiognomischen Tiefblick, der nun vor al- ler Welt gerechtfertiget ist, als Gewinnst: so drückt das Gewicht der Eigenliebe, die durch diese Ehre geschmeichelt wird, die Wagschaal also nieder, daß die zwölf Ham- mel so leicht werden als zwölf Pflaumfe- dern, gegen eben so viel Pfund Silber auf- gewogen. Gewinnst und Verlust genau be- rechnet, sind ich beyder Verhältniß wie Ein- satz und Auszug im Lotto: der Gewinn des Letztern erstattet den Verlust des Erstern funfzehnmal wieder. Wär einer nicht ein Thor der sich beym Gewinn über den Ver- lust des Einsatzes grämen wollt? Haben auch schon stattliche Leut' vor mir Schaden für Gewinn geachtet, wenn sie eine gewisse Art Ehre, worauf ihr werthes Selbst eben gesteuret war, dadurch erlangten.
Mein
koſten das Raͤthſel zu loͤſen, nicht halb ſo viel als der Gruͤbler Volkmar braucht, ei- nen ſinnreichen Logogryph im Merkur zu entziffern, daß er daruͤber den Gerichtstag verabſaͤumt.
Wenn ich dieß Prolem geneu auf der Wage meines Verſtandes abwig, in der einen Schaal’ den Verluſt der zwoͤlf Ham- mel, in der andern die Ehre aus meinem phyſiognomiſchen Tiefblick, der nun vor al- ler Welt gerechtfertiget iſt, als Gewinnſt: ſo druͤckt das Gewicht der Eigenliebe, die durch dieſe Ehre geſchmeichelt wird, die Wagſchaal alſo nieder, daß die zwoͤlf Ham- mel ſo leicht werden als zwoͤlf Pflaumfe- dern, gegen eben ſo viel Pfund Silber auf- gewogen. Gewinnſt und Verluſt genau be- rechnet, ſind ich beyder Verhaͤltniß wie Ein- ſatz und Auszug im Lotto: der Gewinn des Letztern erſtattet den Verluſt des Erſtern funfzehnmal wieder. Waͤr einer nicht ein Thor der ſich beym Gewinn uͤber den Ver- luſt des Einſatzes graͤmen wollt? Haben auch ſchon ſtattliche Leut’ vor mir Schaden fuͤr Gewinn geachtet, wenn ſie eine gewiſſe Art Ehre, worauf ihr werthes Selbſt eben geſteuret war, dadurch erlangten.
Mein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="178"/>
koſten das Raͤthſel zu loͤſen, nicht halb ſo<lb/>
viel als der Gruͤbler Volkmar braucht, ei-<lb/>
nen ſinnreichen Logogryph im Merkur zu<lb/>
entziffern, daß er daruͤber den Gerichtstag<lb/>
verabſaͤumt.</p><lb/><p>Wenn ich dieß Prolem geneu auf der<lb/>
Wage meines Verſtandes abwig, in der<lb/>
einen Schaal’ den Verluſt der zwoͤlf Ham-<lb/>
mel, in der andern die Ehre aus meinem<lb/>
phyſiognomiſchen Tiefblick, der nun vor al-<lb/>
ler Welt gerechtfertiget iſt, als Gewinnſt:<lb/>ſo druͤckt das Gewicht der Eigenliebe, die<lb/>
durch dieſe Ehre geſchmeichelt wird, die<lb/>
Wagſchaal alſo nieder, daß die zwoͤlf Ham-<lb/>
mel ſo leicht werden als zwoͤlf Pflaumfe-<lb/>
dern, gegen eben ſo viel Pfund Silber auf-<lb/>
gewogen. Gewinnſt und Verluſt genau be-<lb/>
rechnet, ſind ich beyder Verhaͤltniß wie Ein-<lb/>ſatz und Auszug im Lotto: der Gewinn des<lb/>
Letztern erſtattet den Verluſt des Erſtern<lb/>
funfzehnmal wieder. Waͤr einer nicht ein<lb/>
Thor der ſich beym Gewinn uͤber den Ver-<lb/>
luſt des Einſatzes graͤmen wollt? Haben<lb/>
auch ſchon ſtattliche Leut’ vor mir Schaden<lb/>
fuͤr Gewinn geachtet, wenn ſie eine gewiſſe<lb/>
Art Ehre, worauf ihr werthes <hirendition="#fr">Selbſt</hi><lb/>
eben geſteuret war, dadurch erlangten.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Mein</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[178/0184]
koſten das Raͤthſel zu loͤſen, nicht halb ſo
viel als der Gruͤbler Volkmar braucht, ei-
nen ſinnreichen Logogryph im Merkur zu
entziffern, daß er daruͤber den Gerichtstag
verabſaͤumt.
Wenn ich dieß Prolem geneu auf der
Wage meines Verſtandes abwig, in der
einen Schaal’ den Verluſt der zwoͤlf Ham-
mel, in der andern die Ehre aus meinem
phyſiognomiſchen Tiefblick, der nun vor al-
ler Welt gerechtfertiget iſt, als Gewinnſt:
ſo druͤckt das Gewicht der Eigenliebe, die
durch dieſe Ehre geſchmeichelt wird, die
Wagſchaal alſo nieder, daß die zwoͤlf Ham-
mel ſo leicht werden als zwoͤlf Pflaumfe-
dern, gegen eben ſo viel Pfund Silber auf-
gewogen. Gewinnſt und Verluſt genau be-
rechnet, ſind ich beyder Verhaͤltniß wie Ein-
ſatz und Auszug im Lotto: der Gewinn des
Letztern erſtattet den Verluſt des Erſtern
funfzehnmal wieder. Waͤr einer nicht ein
Thor der ſich beym Gewinn uͤber den Ver-
luſt des Einſatzes graͤmen wollt? Haben
auch ſchon ſtattliche Leut’ vor mir Schaden
fuͤr Gewinn geachtet, wenn ſie eine gewiſſe
Art Ehre, worauf ihr werthes Selbſt
eben geſteuret war, dadurch erlangten.
Mein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 1, 2. Aufl. Altenburg, 1779, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen01_1779/184>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.