Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Ihre Absicht einigermaßen fehlgeschlagen ist, da an Ihrer Person nichts auszusetzen ist, so kommt dieses daher, weil Sie gar zu geschwinde Progressen in der Liebe haben machen wollen. Ich habe Ihnen dieses mehr als einmal zu verstehen gegeben. Hätten Sie das Fräulein erstlich zu gewinnen gesucht, und wenn Sie von ihrer Gewogenheit überzeugt gewesen wären, um sie werben lassen: so würden Sie jetzo nicht ungewiß seyn, ob Sie eine Braut haben oder nicht. Sir Carl beobachtete diese Regel genauer, er wendete sich nicht eher an die Freunde seiner Henriette, bis er gewiß war, daß sie ihm für allen Mannespersonen den Vorzug gab. Sie haben, wie ich glaube, nur im Anfang die alte Regel vor Augen gehabt, daß eine günstige Mutter auch eine günstige Tochter machen kann; allein da Sie hernach nicht einmal dieser Vorschrift gefolget sind, sondern die Frau v. W. gegen sich unwillig gemacht haben: so ist es Ihnen desto schwerer worden, Ihre Absicht zu erreichen. Doch diese Regel

Ihre Absicht einigermaßen fehlgeschlagen ist, da an Ihrer Person nichts auszusetzen ist, so kommt dieses daher, weil Sie gar zu geschwinde Progressen in der Liebe haben machen wollen. Ich habe Ihnen dieses mehr als einmal zu verstehen gegeben. Hätten Sie das Fräulein erstlich zu gewinnen gesucht, und wenn Sie von ihrer Gewogenheit überzeugt gewesen wären, um sie werben lassen: so würden Sie jetzo nicht ungewiß seyn, ob Sie eine Braut haben oder nicht. Sir Carl beobachtete diese Regel genauer, er wendete sich nicht eher an die Freunde seiner Henriette, bis er gewiß war, daß sie ihm für allen Mannespersonen den Vorzug gab. Sie haben, wie ich glaube, nur im Anfang die alte Regel vor Augen gehabt, daß eine günstige Mutter auch eine günstige Tochter machen kann; allein da Sie hernach nicht einmal dieser Vorschrift gefolget sind, sondern die Frau v. W. gegen sich unwillig gemacht haben: so ist es Ihnen desto schwerer worden, Ihre Absicht zu erreichen. Doch diese Regel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="35"/>
Ihre Absicht einigermaßen fehlgeschlagen ist, da an Ihrer Person nichts auszusetzen ist, so kommt dieses daher, weil Sie gar zu geschwinde Progressen in der Liebe haben machen wollen. Ich habe Ihnen dieses mehr als einmal zu verstehen gegeben. Hätten Sie das Fräulein erstlich zu gewinnen gesucht, und wenn Sie von ihrer Gewogenheit überzeugt gewesen wären, um sie werben lassen: so würden Sie jetzo nicht ungewiß seyn, ob Sie eine Braut haben oder nicht. Sir Carl beobachtete diese Regel genauer, er wendete sich nicht eher an die Freunde seiner Henriette, bis er gewiß war, daß sie ihm für allen Mannespersonen den Vorzug gab. Sie haben, wie ich glaube, nur im Anfang die alte Regel vor Augen gehabt, daß eine günstige Mutter auch eine günstige Tochter machen kann; allein da Sie hernach nicht einmal dieser Vorschrift gefolget sind, sondern die Frau v. W. gegen sich unwillig gemacht haben: so ist es Ihnen desto schwerer worden, Ihre Absicht zu erreichen. Doch diese Regel
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0037] Ihre Absicht einigermaßen fehlgeschlagen ist, da an Ihrer Person nichts auszusetzen ist, so kommt dieses daher, weil Sie gar zu geschwinde Progressen in der Liebe haben machen wollen. Ich habe Ihnen dieses mehr als einmal zu verstehen gegeben. Hätten Sie das Fräulein erstlich zu gewinnen gesucht, und wenn Sie von ihrer Gewogenheit überzeugt gewesen wären, um sie werben lassen: so würden Sie jetzo nicht ungewiß seyn, ob Sie eine Braut haben oder nicht. Sir Carl beobachtete diese Regel genauer, er wendete sich nicht eher an die Freunde seiner Henriette, bis er gewiß war, daß sie ihm für allen Mannespersonen den Vorzug gab. Sie haben, wie ich glaube, nur im Anfang die alte Regel vor Augen gehabt, daß eine günstige Mutter auch eine günstige Tochter machen kann; allein da Sie hernach nicht einmal dieser Vorschrift gefolget sind, sondern die Frau v. W. gegen sich unwillig gemacht haben: so ist es Ihnen desto schwerer worden, Ihre Absicht zu erreichen. Doch diese Regel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/37
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/37>, abgerufen am 21.11.2024.