nur anmerken, daß die alten Väter alle in Bärten abgemahlet werden. Es war in den alten Zeiten ein großer Schimpf, wenn ein Mann seines Bartes beraubet wurde oder wenn er gar keinen hatte, und kommt mir daher sehr glaublich vor, daß die, welchen die Natur diesen Schmuck versaget, sich künstliche Bärte ansetzen ließen, und sich damit schmückten, wie wir heut zu Tage mit den Perucken zu thun pflegen. Man hielt dieses Vorrecht der Männer für dem schönen Geschlecht in solchen Ehren, daß man den Bart mit Salben bestrich, oder wenn er im Alter grau wurde, solchen färbte. Die alten Philosophen suchten sich dadurch in besonderes Ansehen zu setzen. Wer den größten Bart unter ihnen besaß und den schlechtesten Mantel trug, bekam die meisten Zuhörer, eben so wie zu unsern Zeiten die Hörsäle am meisten angefüllet sind, wo die größte Perucke auf dem Catheder stolziret. Die alten Römer ließen den Bart stehen und eben so lange stund auch ihre Freiheit und die guten
nur anmerken, daß die alten Väter alle in Bärten abgemahlet werden. Es war in den alten Zeiten ein großer Schimpf, wenn ein Mann seines Bartes beraubet wurde oder wenn er gar keinen hatte, und kommt mir daher sehr glaublich vor, daß die, welchen die Natur diesen Schmuck versaget, sich künstliche Bärte ansetzen ließen, und sich damit schmückten, wie wir heut zu Tage mit den Perucken zu thun pflegen. Man hielt dieses Vorrecht der Männer für dem schönen Geschlecht in solchen Ehren, daß man den Bart mit Salben bestrich, oder wenn er im Alter grau wurde, solchen färbte. Die alten Philosophen suchten sich dadurch in besonderes Ansehen zu setzen. Wer den größten Bart unter ihnen besaß und den schlechtesten Mantel trug, bekam die meisten Zuhörer, eben so wie zu unsern Zeiten die Hörsäle am meisten angefüllet sind, wo die größte Perucke auf dem Catheder stolziret. Die alten Römer ließen den Bart stehen und eben so lange stund auch ihre Freiheit und die guten
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0183"n="181"/>
nur anmerken, daß die alten Väter alle in Bärten abgemahlet werden. Es war in den alten Zeiten ein großer Schimpf, wenn ein Mann seines Bartes beraubet wurde oder wenn er gar keinen hatte, und kommt mir daher sehr glaublich vor, daß die, welchen die Natur diesen Schmuck versaget, sich künstliche Bärte ansetzen ließen, und sich damit schmückten, wie wir heut zu Tage mit den Perucken zu thun pflegen. Man hielt dieses Vorrecht der Männer für dem schönen Geschlecht in solchen Ehren, daß man den Bart mit Salben bestrich, oder wenn er im Alter grau wurde, solchen färbte. Die alten Philosophen suchten sich dadurch in besonderes Ansehen zu setzen. Wer den größten Bart unter ihnen besaß und den schlechtesten Mantel trug, bekam die meisten Zuhörer, eben so wie zu unsern Zeiten die Hörsäle am meisten angefüllet sind, wo die größte Perucke auf dem Catheder stolziret. Die alten Römer ließen den Bart stehen und eben so lange stund auch ihre Freiheit und die guten
</p></div></body></text></TEI>
[181/0183]
nur anmerken, daß die alten Väter alle in Bärten abgemahlet werden. Es war in den alten Zeiten ein großer Schimpf, wenn ein Mann seines Bartes beraubet wurde oder wenn er gar keinen hatte, und kommt mir daher sehr glaublich vor, daß die, welchen die Natur diesen Schmuck versaget, sich künstliche Bärte ansetzen ließen, und sich damit schmückten, wie wir heut zu Tage mit den Perucken zu thun pflegen. Man hielt dieses Vorrecht der Männer für dem schönen Geschlecht in solchen Ehren, daß man den Bart mit Salben bestrich, oder wenn er im Alter grau wurde, solchen färbte. Die alten Philosophen suchten sich dadurch in besonderes Ansehen zu setzen. Wer den größten Bart unter ihnen besaß und den schlechtesten Mantel trug, bekam die meisten Zuhörer, eben so wie zu unsern Zeiten die Hörsäle am meisten angefüllet sind, wo die größte Perucke auf dem Catheder stolziret. Die alten Römer ließen den Bart stehen und eben so lange stund auch ihre Freiheit und die guten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Dritter Theil. Eisenach, 1762, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison03_1762/183>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.