Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

Er erzählte mit einer lobenswürdigen Freimüthigkeit, daß ihn die Frau v. W. verleitet hätte, unserm Onkle eine Ausforderung zuzuschicken. Er hätte seine Ursachen gehabt sich nicht durch seine Widerspänstigkeit ihr misfällig zu machen. Können Sie diese Ursachen wohl einsehen? Ich kann es -. Es wäre gar nicht seine Absicht, dasjenige, wodurch er sich von dem Herrn v. N. beleidiget halten könnte, zu rächen. Der Mann hat seine Würmer, sagte er, man muß seine Schwachheit übersehen. Wenn ihn auch das nicht bereits einer vollkommenen Verzeihung würdig machte, daß er ein Anverwandter des Barons wäre: so würde ihn doch sein wunderbarer Charakter genugsam für aller Rache schützen. Er wäre auf eine sonderbare Art in das Lustspiel gezogen worden, welches mein Oncle zum Vergnügen seiner Freunde und Nachbarn aufführte: er wünschte nun auch seine Rolle so zu spielen, daß er sie mit Beifall endigte. Unser Oncle schien keine Lust zu haben, sich mit ihm herum zu balgen. Er hätte ihm einen Brief

Er erzählte mit einer lobenswürdigen Freimüthigkeit, daß ihn die Frau v. W. verleitet hätte, unserm Onkle eine Ausforderung zuzuschicken. Er hätte seine Ursachen gehabt sich nicht durch seine Widerspänstigkeit ihr misfällig zu machen. Können Sie diese Ursachen wohl einsehen? Ich kann es –. Es wäre gar nicht seine Absicht, dasjenige, wodurch er sich von dem Herrn v. N. beleidiget halten könnte, zu rächen. Der Mann hat seine Würmer, sagte er, man muß seine Schwachheit übersehen. Wenn ihn auch das nicht bereits einer vollkommenen Verzeihung würdig machte, daß er ein Anverwandter des Barons wäre: so würde ihn doch sein wunderbarer Charakter genugsam für aller Rache schützen. Er wäre auf eine sonderbare Art in das Lustspiel gezogen worden, welches mein Oncle zum Vergnügen seiner Freunde und Nachbarn aufführte: er wünschte nun auch seine Rolle so zu spielen, daß er sie mit Beifall endigte. Unser Oncle schien keine Lust zu haben, sich mit ihm herum zu balgen. Er hätte ihm einen Brief

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="61"/>
Er erzählte mit einer lobenswürdigen Freimüthigkeit, daß ihn die Frau v. W. verleitet hätte, unserm Onkle eine Ausforderung zuzuschicken. Er hätte seine Ursachen gehabt sich nicht durch seine Widerspänstigkeit ihr misfällig zu machen. Können Sie diese Ursachen wohl einsehen? Ich kann es &#x2013;. Es wäre gar nicht seine Absicht, dasjenige, wodurch er sich von dem Herrn v. N. beleidiget halten könnte, zu rächen. Der Mann hat seine Würmer, sagte er, man muß seine Schwachheit übersehen. Wenn ihn auch das nicht bereits einer vollkommenen Verzeihung würdig machte, daß er ein Anverwandter des Barons wäre: so würde ihn doch sein wunderbarer Charakter genugsam für aller Rache schützen. Er wäre auf eine sonderbare Art in das Lustspiel gezogen worden, welches mein Oncle zum Vergnügen seiner Freunde und Nachbarn aufführte: er wünschte nun auch seine Rolle so zu spielen, daß er sie mit Beifall endigte. Unser Oncle schien keine Lust zu haben, sich mit ihm herum zu balgen. Er hätte ihm einen Brief
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0063] Er erzählte mit einer lobenswürdigen Freimüthigkeit, daß ihn die Frau v. W. verleitet hätte, unserm Onkle eine Ausforderung zuzuschicken. Er hätte seine Ursachen gehabt sich nicht durch seine Widerspänstigkeit ihr misfällig zu machen. Können Sie diese Ursachen wohl einsehen? Ich kann es –. Es wäre gar nicht seine Absicht, dasjenige, wodurch er sich von dem Herrn v. N. beleidiget halten könnte, zu rächen. Der Mann hat seine Würmer, sagte er, man muß seine Schwachheit übersehen. Wenn ihn auch das nicht bereits einer vollkommenen Verzeihung würdig machte, daß er ein Anverwandter des Barons wäre: so würde ihn doch sein wunderbarer Charakter genugsam für aller Rache schützen. Er wäre auf eine sonderbare Art in das Lustspiel gezogen worden, welches mein Oncle zum Vergnügen seiner Freunde und Nachbarn aufführte: er wünschte nun auch seine Rolle so zu spielen, daß er sie mit Beifall endigte. Unser Oncle schien keine Lust zu haben, sich mit ihm herum zu balgen. Er hätte ihm einen Brief

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/63
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/63>, abgerufen am 28.11.2024.