Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

wären. Die ich nur einigermaßen kenne, suche ich sehr genau zu befolgen. Es ist mir gesagt worden, daß man sich erstlich der Sprache der Augen bedienen müsse, ehe man Mund und Feder dürfe reden lassen. Ich habe dieses Gesetz getreu erfüllt. Meine Augen haben sich Stunden lang mit den Ihrigen besprochen; ich habe Ihnen mehr als einmal meine Empfindungen dadurch so deutlich entdeckt, als es diese Sprache zuläßt: Sie haben mir aber nie eine Antwort ertheilet, die von aller Zweideutigkeit wäre frei gewesen. Dieses hat mich berechtiget, zu der Feder meine Zuflucht zu nehmen, um Ihnen, wenn die Sprache meiner Augen nicht wäre redend gnug gewesen, Ihnen durch die Feder das Geständniß deutlicher zu wiederholen, daß ich Sie anbete. Es stehet in Ihrer Hand, mich zu den glücklichsten Bewohner der Erden zu machen, wenn Sie meine Wünsche nicht ganz unerhört seyn lassen. Doch bin ich nicht zu unbescheiden, mich in Ihre Gewogenheit eindringen zu wollen, ehe ich Ihnen Beweise meiner Aufrichkeit

wären. Die ich nur einigermaßen kenne, suche ich sehr genau zu befolgen. Es ist mir gesagt worden, daß man sich erstlich der Sprache der Augen bedienen müsse, ehe man Mund und Feder dürfe reden lassen. Ich habe dieses Gesetz getreu erfüllt. Meine Augen haben sich Stunden lang mit den Ihrigen besprochen; ich habe Ihnen mehr als einmal meine Empfindungen dadurch so deutlich entdeckt, als es diese Sprache zuläßt: Sie haben mir aber nie eine Antwort ertheilet, die von aller Zweideutigkeit wäre frei gewesen. Dieses hat mich berechtiget, zu der Feder meine Zuflucht zu nehmen, um Ihnen, wenn die Sprache meiner Augen nicht wäre redend gnug gewesen, Ihnen durch die Feder das Geständniß deutlicher zu wiederholen, daß ich Sie anbete. Es stehet in Ihrer Hand, mich zu den glücklichsten Bewohner der Erden zu machen, wenn Sie meine Wünsche nicht ganz unerhört seyn lassen. Doch bin ich nicht zu unbescheiden, mich in Ihre Gewogenheit eindringen zu wollen, ehe ich Ihnen Beweise meiner Aufrichkeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="270"/>
wären. Die ich nur einigermaßen kenne, suche ich sehr genau zu befolgen. Es ist mir gesagt worden, daß man sich erstlich der Sprache der Augen bedienen müsse, ehe man Mund und Feder dürfe reden lassen. Ich habe dieses Gesetz getreu erfüllt. Meine Augen haben sich Stunden lang mit den Ihrigen besprochen; ich habe Ihnen mehr als einmal meine Empfindungen dadurch so deutlich entdeckt, als es diese Sprache zuläßt: Sie haben mir aber nie eine Antwort ertheilet, die von aller Zweideutigkeit wäre frei gewesen. Dieses hat mich berechtiget, zu der Feder meine Zuflucht zu nehmen, um Ihnen, wenn die Sprache meiner Augen nicht wäre redend gnug gewesen, Ihnen durch die Feder das Geständniß deutlicher zu wiederholen, daß ich Sie anbete. Es stehet in Ihrer Hand, mich zu den glücklichsten Bewohner der Erden zu machen, wenn Sie meine Wünsche nicht ganz unerhört seyn lassen. Doch bin ich nicht zu unbescheiden, mich in Ihre Gewogenheit eindringen zu wollen, ehe ich Ihnen Beweise meiner Aufrichkeit
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0272] wären. Die ich nur einigermaßen kenne, suche ich sehr genau zu befolgen. Es ist mir gesagt worden, daß man sich erstlich der Sprache der Augen bedienen müsse, ehe man Mund und Feder dürfe reden lassen. Ich habe dieses Gesetz getreu erfüllt. Meine Augen haben sich Stunden lang mit den Ihrigen besprochen; ich habe Ihnen mehr als einmal meine Empfindungen dadurch so deutlich entdeckt, als es diese Sprache zuläßt: Sie haben mir aber nie eine Antwort ertheilet, die von aller Zweideutigkeit wäre frei gewesen. Dieses hat mich berechtiget, zu der Feder meine Zuflucht zu nehmen, um Ihnen, wenn die Sprache meiner Augen nicht wäre redend gnug gewesen, Ihnen durch die Feder das Geständniß deutlicher zu wiederholen, daß ich Sie anbete. Es stehet in Ihrer Hand, mich zu den glücklichsten Bewohner der Erden zu machen, wenn Sie meine Wünsche nicht ganz unerhört seyn lassen. Doch bin ich nicht zu unbescheiden, mich in Ihre Gewogenheit eindringen zu wollen, ehe ich Ihnen Beweise meiner Aufrichkeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/272
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/272>, abgerufen am 07.05.2024.