Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

mit dem Major vornehmen und sie bekehren wollen, Lampert hat bereits ein dickes Buch geheftet gehabt, um alle Reden der Frau v. W. und seines Gönners nachzuschreiben, und nach seinem Ausdruck mit diesem neuen Kleinod den Werth der glänzenden Tugenden desselben noch mehr zu erhöhen, und die Siege der Großmuth für die Nachwelt schriftlich aufzubehalten. Das Gesichte der Frau v. W. verrieth auch einigen Zwang, es kostete ihr Mühe, den Anblick meines Oncles zu ertragen; es wurde ihr aber alsdann unleidlich, wenn Grandison aus ihm sprach. Sie verdient indessen allerdings ihr Lob, daß sie diesmal vollkommen von sich Meister blieb, und äußerlich alles beobachtete, was man von ihr verlangen konnte. Diese verschiedene Charaktere, welche die vorzüglichsten Personen aus der Gesellschaft an sich nahmen, und die so vielen Zwang und Verstellung verriethen; die Bedachtsamkeit der Uebrigen, nicht etwas vorzubringen, wodurch von neuem Oel ins Feuer könnte gegossen und der Groll der streitenden Mächte wieder erreget werden,

mit dem Major vornehmen und sie bekehren wollen, Lampert hat bereits ein dickes Buch geheftet gehabt, um alle Reden der Frau v. W. und seines Gönners nachzuschreiben, und nach seinem Ausdruck mit diesem neuen Kleinod den Werth der glänzenden Tugenden desselben noch mehr zu erhöhen, und die Siege der Großmuth für die Nachwelt schriftlich aufzubehalten. Das Gesichte der Frau v. W. verrieth auch einigen Zwang, es kostete ihr Mühe, den Anblick meines Oncles zu ertragen; es wurde ihr aber alsdann unleidlich, wenn Grandison aus ihm sprach. Sie verdient indessen allerdings ihr Lob, daß sie diesmal vollkommen von sich Meister blieb, und äußerlich alles beobachtete, was man von ihr verlangen konnte. Diese verschiedene Charaktere, welche die vorzüglichsten Personen aus der Gesellschaft an sich nahmen, und die so vielen Zwang und Verstellung verriethen; die Bedachtsamkeit der Uebrigen, nicht etwas vorzubringen, wodurch von neuem Oel ins Feuer könnte gegossen und der Groll der streitenden Mächte wieder erreget werden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0244" n="242"/>
mit dem Major vornehmen und sie bekehren wollen, Lampert hat bereits ein dickes Buch geheftet gehabt, um alle Reden der Frau v. W. und seines Gönners nachzuschreiben, und nach seinem Ausdruck mit diesem neuen Kleinod den Werth der glänzenden Tugenden desselben noch mehr zu erhöhen, und die Siege der Großmuth für die Nachwelt schriftlich aufzubehalten. Das Gesichte der Frau v. W. verrieth auch einigen Zwang, es kostete ihr Mühe, den Anblick meines Oncles zu ertragen; es wurde ihr aber alsdann unleidlich, wenn Grandison aus ihm sprach. Sie verdient indessen allerdings ihr Lob, daß sie diesmal vollkommen von sich Meister blieb, und äußerlich alles beobachtete, was man von ihr verlangen konnte. Diese verschiedene Charaktere, welche die vorzüglichsten Personen aus der Gesellschaft an sich nahmen, und die so vielen Zwang und Verstellung verriethen; die Bedachtsamkeit der Uebrigen, nicht etwas vorzubringen, wodurch von neuem Oel ins Feuer könnte gegossen und der Groll der streitenden Mächte wieder erreget werden,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0244] mit dem Major vornehmen und sie bekehren wollen, Lampert hat bereits ein dickes Buch geheftet gehabt, um alle Reden der Frau v. W. und seines Gönners nachzuschreiben, und nach seinem Ausdruck mit diesem neuen Kleinod den Werth der glänzenden Tugenden desselben noch mehr zu erhöhen, und die Siege der Großmuth für die Nachwelt schriftlich aufzubehalten. Das Gesichte der Frau v. W. verrieth auch einigen Zwang, es kostete ihr Mühe, den Anblick meines Oncles zu ertragen; es wurde ihr aber alsdann unleidlich, wenn Grandison aus ihm sprach. Sie verdient indessen allerdings ihr Lob, daß sie diesmal vollkommen von sich Meister blieb, und äußerlich alles beobachtete, was man von ihr verlangen konnte. Diese verschiedene Charaktere, welche die vorzüglichsten Personen aus der Gesellschaft an sich nahmen, und die so vielen Zwang und Verstellung verriethen; die Bedachtsamkeit der Uebrigen, nicht etwas vorzubringen, wodurch von neuem Oel ins Feuer könnte gegossen und der Groll der streitenden Mächte wieder erreget werden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/244
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/244>, abgerufen am 19.04.2024.