Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht zu bekehren, und wurde so eifrig, daß er den Lord G. der wider seine Neigung in der Hitze die französische Partei nahm, des Hochverraths würde beschuldiget haben, wenn Sir Carl nicht durch sein Ansehen die Sache noch zu rechter Zeit beigeleget hätte. Die Tafel war diesmal auf den ordentlichen Fuß eingerichtet, das ist, Sir Carls Lektor bestieg den kleinen Catheder in dem Speisesaale und las uns einige Stellen aus den kernhaftesten englischen Schriftstellern vor. Er ersetzte also die Stelle der Concertisten, die uns den Tag zuvor mit einer prächtigen Tafelmusik unterhalten hatten. Bei den ersten Gerichten, da die Zuhörer ihre Gedanken auf die Schüssel gerichtet hatten, würde eine trockene moralische Abhandlung keine Aufmerksamkeit verdienet haben, Sir Carl hatte deswegen die Verfügung gemacht, daß zuerst etwas munteres mußte vorgelesen werden, wir bekamen etwas aus Swifts Mährgen von der Tonne zu hören. Nach dem ersten Anbiß schlug Sir Carl mit der Gabel auf den Tisch, sogleich ergriff der Vorleser ein

nicht zu bekehren, und wurde so eifrig, daß er den Lord G. der wider seine Neigung in der Hitze die französische Partei nahm, des Hochverraths würde beschuldiget haben, wenn Sir Carl nicht durch sein Ansehen die Sache noch zu rechter Zeit beigeleget hätte. Die Tafel war diesmal auf den ordentlichen Fuß eingerichtet, das ist, Sir Carls Lektor bestieg den kleinen Catheder in dem Speisesaale und las uns einige Stellen aus den kernhaftesten englischen Schriftstellern vor. Er ersetzte also die Stelle der Concertisten, die uns den Tag zuvor mit einer prächtigen Tafelmusik unterhalten hatten. Bei den ersten Gerichten, da die Zuhörer ihre Gedanken auf die Schüssel gerichtet hatten, würde eine trockene moralische Abhandlung keine Aufmerksamkeit verdienet haben, Sir Carl hatte deswegen die Verfügung gemacht, daß zuerst etwas munteres mußte vorgelesen werden, wir bekamen etwas aus Swifts Mährgen von der Tonne zu hören. Nach dem ersten Anbiß schlug Sir Carl mit der Gabel auf den Tisch, sogleich ergriff der Vorleser ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="198"/>
nicht zu bekehren, und wurde so eifrig, daß er den Lord G. der wider seine Neigung in der Hitze die französische Partei nahm, des Hochverraths würde beschuldiget haben, wenn Sir Carl nicht durch sein Ansehen die Sache noch zu rechter Zeit beigeleget hätte. Die Tafel war diesmal auf den ordentlichen Fuß eingerichtet, das ist, Sir Carls Lektor bestieg den kleinen Catheder in dem Speisesaale und las uns einige Stellen aus den kernhaftesten englischen Schriftstellern vor. Er ersetzte also die Stelle der Concertisten, die uns den Tag zuvor mit einer prächtigen Tafelmusik unterhalten hatten. Bei den ersten Gerichten, da die Zuhörer ihre Gedanken auf die Schüssel gerichtet hatten, würde eine trockene moralische Abhandlung keine Aufmerksamkeit verdienet haben, Sir Carl hatte deswegen die Verfügung gemacht, daß zuerst etwas munteres mußte vorgelesen werden, wir bekamen etwas aus Swifts Mährgen von der Tonne zu hören. Nach dem ersten Anbiß schlug Sir Carl mit der Gabel auf den Tisch, sogleich ergriff der Vorleser ein
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0200] nicht zu bekehren, und wurde so eifrig, daß er den Lord G. der wider seine Neigung in der Hitze die französische Partei nahm, des Hochverraths würde beschuldiget haben, wenn Sir Carl nicht durch sein Ansehen die Sache noch zu rechter Zeit beigeleget hätte. Die Tafel war diesmal auf den ordentlichen Fuß eingerichtet, das ist, Sir Carls Lektor bestieg den kleinen Catheder in dem Speisesaale und las uns einige Stellen aus den kernhaftesten englischen Schriftstellern vor. Er ersetzte also die Stelle der Concertisten, die uns den Tag zuvor mit einer prächtigen Tafelmusik unterhalten hatten. Bei den ersten Gerichten, da die Zuhörer ihre Gedanken auf die Schüssel gerichtet hatten, würde eine trockene moralische Abhandlung keine Aufmerksamkeit verdienet haben, Sir Carl hatte deswegen die Verfügung gemacht, daß zuerst etwas munteres mußte vorgelesen werden, wir bekamen etwas aus Swifts Mährgen von der Tonne zu hören. Nach dem ersten Anbiß schlug Sir Carl mit der Gabel auf den Tisch, sogleich ergriff der Vorleser ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/200
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/200>, abgerufen am 26.04.2024.