Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.§. 8. Hier habe ich verschiedene Junkers und Fräuleins erzogen. Die benachbarten Edelleute erfuhren meine Geschicklichkeit, und thaten ihre Kinder bei meinem Herrn Principal in die Kost. Ich machte mich also eben so berühmt, als Melanchthon und Trotzendorf ehedem gewesen waren. §. 9. An Vermögen fehlt es mir nicht. Die Menschen, welche um mich sind, haben von Natur muntere Seelen. Alles lacht und scherzt. Nur mein gnädiger Patron hat manchmal ernsthaftere Gedanken; Fräulein Kunigunde lacht schon seit 30 Jahren nicht mehr: die andern aber sind desto lustiger. Die beständigen Abwechselungen machen, daß ich mich zeithero nach keiner Pfarrstelle gesehnt habe. Nur eins liegt mir im Kopfe: ich seufze nach Hanchen ihrer Gegenliebe. Der unempfindlichste Stoiker müßte bei dem Anblicke dieses reizenden Mädchens verliebt werden. Vielleicht §. 8. Hier habe ich verschiedene Junkers und Fräuleins erzogen. Die benachbarten Edelleute erfuhren meine Geschicklichkeit, und thaten ihre Kinder bei meinem Herrn Principal in die Kost. Ich machte mich also eben so berühmt, als Melanchthon und Trotzendorf ehedem gewesen waren. §. 9. An Vermögen fehlt es mir nicht. Die Menschen, welche um mich sind, haben von Natur muntere Seelen. Alles lacht und scherzt. Nur mein gnädiger Patron hat manchmal ernsthaftere Gedanken; Fräulein Kunigunde lacht schon seit 30 Jahren nicht mehr: die andern aber sind desto lustiger. Die beständigen Abwechselungen machen, daß ich mich zeithero nach keiner Pfarrstelle gesehnt habe. Nur eins liegt mir im Kopfe: ich seufze nach Hanchen ihrer Gegenliebe. Der unempfindlichste Stoiker müßte bei dem Anblicke dieses reizenden Mädchens verliebt werden. Vielleicht <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <floatingText> <body> <pb facs="#f0020" n="18"/> <div n="2"> <head>§. 8.</head> <p>Hier habe ich verschiedene Junkers und Fräuleins erzogen. Die benachbarten Edelleute erfuhren meine Geschicklichkeit, und thaten ihre Kinder bei meinem Herrn Principal in die Kost. Ich machte mich also eben so berühmt, als Melanchthon und Trotzendorf ehedem gewesen waren.</p> </div> <div n="2"> <head>§. 9.</head> <p>An Vermögen fehlt es mir nicht. Die Menschen, welche um mich sind, haben von Natur muntere Seelen. Alles lacht und scherzt. Nur mein gnädiger Patron hat manchmal ernsthaftere Gedanken; Fräulein Kunigunde lacht schon seit 30 Jahren nicht mehr: die andern aber sind desto lustiger. Die beständigen Abwechselungen machen, daß ich mich zeithero nach keiner Pfarrstelle gesehnt habe. Nur eins liegt mir im Kopfe: ich seufze nach Hanchen ihrer Gegenliebe. Der unempfindlichste Stoiker müßte bei dem Anblicke dieses reizenden Mädchens verliebt werden. Vielleicht </p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [18/0020]
§. 8. Hier habe ich verschiedene Junkers und Fräuleins erzogen. Die benachbarten Edelleute erfuhren meine Geschicklichkeit, und thaten ihre Kinder bei meinem Herrn Principal in die Kost. Ich machte mich also eben so berühmt, als Melanchthon und Trotzendorf ehedem gewesen waren.
§. 9. An Vermögen fehlt es mir nicht. Die Menschen, welche um mich sind, haben von Natur muntere Seelen. Alles lacht und scherzt. Nur mein gnädiger Patron hat manchmal ernsthaftere Gedanken; Fräulein Kunigunde lacht schon seit 30 Jahren nicht mehr: die andern aber sind desto lustiger. Die beständigen Abwechselungen machen, daß ich mich zeithero nach keiner Pfarrstelle gesehnt habe. Nur eins liegt mir im Kopfe: ich seufze nach Hanchen ihrer Gegenliebe. Der unempfindlichste Stoiker müßte bei dem Anblicke dieses reizenden Mädchens verliebt werden. Vielleicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T15:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |