Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761.

Bild:
<< vorherige Seite

um eine feindliche Landung zu verwehren, und ärgert sich außerordentlich, daß er seine Tapferkeit noch nicht hat zeigen können. Er sagte, die Rede gienge, sein Regiment sollte mit nach Deutschland übergesetzt werden. Ich mußte ihm deswegen Ihren Namen und Aufenthalt sagen, welches er sogleich in seine Schreibtafel eintrug, um bei seiner Ankunft in Deutschland Ihnen einen Besuch abzustatten. Ich wundere mich nun nicht mehr, daß er eben so wenig als Herr Orme in seiner Stutzperucke und rothen Augen in dem Herzen einer Henriette einen Eingang gefunden hat. Zwischen ihm und dem Herrn Grandison ist kein geringerer Unterschied als zwischen Nacht und Tag. Mit Fräulein Lucien und Kätchen Holles machte er sich immer etwas zu schaffen; aber er scherzte eben nicht auf die feinste Art. Da ich es indessen einmal wagte, über einen seiner Spase, des Frauenzimmers wegen, nicht zu lachen, so gab er mir ein Gesichte, daß ich dachte, er würde den Augenblick von Leder ziehen. Einmal zog er Fräulein Lucien eine Nadel

um eine feindliche Landung zu verwehren, und ärgert sich außerordentlich, daß er seine Tapferkeit noch nicht hat zeigen können. Er sagte, die Rede gienge, sein Regiment sollte mit nach Deutschland übergesetzt werden. Ich mußte ihm deswegen Ihren Namen und Aufenthalt sagen, welches er sogleich in seine Schreibtafel eintrug, um bei seiner Ankunft in Deutschland Ihnen einen Besuch abzustatten. Ich wundere mich nun nicht mehr, daß er eben so wenig als Herr Orme in seiner Stutzperucke und rothen Augen in dem Herzen einer Henriette einen Eingang gefunden hat. Zwischen ihm und dem Herrn Grandison ist kein geringerer Unterschied als zwischen Nacht und Tag. Mit Fräulein Lucien und Kätchen Holles machte er sich immer etwas zu schaffen; aber er scherzte eben nicht auf die feinste Art. Da ich es indessen einmal wagte, über einen seiner Spase, des Frauenzimmers wegen, nicht zu lachen, so gab er mir ein Gesichte, daß ich dachte, er würde den Augenblick von Leder ziehen. Einmal zog er Fräulein Lucien eine Nadel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="165"/>
um eine feindliche Landung zu verwehren, und ärgert sich außerordentlich, daß er seine Tapferkeit noch nicht hat zeigen können. Er sagte, die Rede gienge, sein Regiment sollte mit nach Deutschland übergesetzt werden. Ich mußte ihm deswegen Ihren Namen und Aufenthalt sagen, welches er sogleich in seine Schreibtafel eintrug, um bei seiner Ankunft in Deutschland Ihnen einen Besuch abzustatten. Ich wundere mich nun nicht mehr, daß er eben so wenig als Herr Orme in seiner Stutzperucke und rothen Augen in dem Herzen einer Henriette einen Eingang gefunden hat. Zwischen ihm und dem Herrn Grandison ist kein geringerer Unterschied als zwischen Nacht und Tag. Mit Fräulein Lucien und Kätchen Holles machte er sich immer etwas zu schaffen; aber er scherzte eben nicht auf die feinste Art. Da ich es indessen einmal wagte, über einen seiner Spase, des Frauenzimmers wegen, nicht zu lachen, so gab er mir ein Gesichte, daß ich dachte, er würde den Augenblick von Leder ziehen. Einmal zog er Fräulein Lucien eine Nadel
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0167] um eine feindliche Landung zu verwehren, und ärgert sich außerordentlich, daß er seine Tapferkeit noch nicht hat zeigen können. Er sagte, die Rede gienge, sein Regiment sollte mit nach Deutschland übergesetzt werden. Ich mußte ihm deswegen Ihren Namen und Aufenthalt sagen, welches er sogleich in seine Schreibtafel eintrug, um bei seiner Ankunft in Deutschland Ihnen einen Besuch abzustatten. Ich wundere mich nun nicht mehr, daß er eben so wenig als Herr Orme in seiner Stutzperucke und rothen Augen in dem Herzen einer Henriette einen Eingang gefunden hat. Zwischen ihm und dem Herrn Grandison ist kein geringerer Unterschied als zwischen Nacht und Tag. Mit Fräulein Lucien und Kätchen Holles machte er sich immer etwas zu schaffen; aber er scherzte eben nicht auf die feinste Art. Da ich es indessen einmal wagte, über einen seiner Spase, des Frauenzimmers wegen, nicht zu lachen, so gab er mir ein Gesichte, daß ich dachte, er würde den Augenblick von Leder ziehen. Einmal zog er Fräulein Lucien eine Nadel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T15:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T15:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T15:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/167
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. Zweiter Theil. Eisenach, 1761, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison02_1761/167>, abgerufen am 25.04.2024.