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Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.

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uns ein gnädiges Handschreiben von dem jungen Herrn Baron v. S. vorzulesen, nachdem er sich diese in einer wohlfließenden halbstündigen Rede erbethen hatte. Wir hörten aufmerksam zu. Er las mit einer Art, die mir gefiel. Das Wasser trat ihm für Freuden in die Augen; er lächelte und wischte sie mit einer Hand um die andere, wenn er an Stellen kam, die er für spashaft hielt, oder die ihm angenehme Gedanken erweckten: manchmal aber mummelte er in den Bart, und las so geschwinde, daß Niemand wußte, was er haben wollte. Wie, sagte ich, wie war das? Noch einmal diese Stelle. Er winkte und geboth uns mit der Hand zu schweigen, und las fort. Da er fertig war, und nach seiner Gewohnheit die Augen zudrückte, um sich auf kritische Anmerkungen zu besinnen, nahm ich ihm den Brief aus der Hand. Es sind Stellen darinne befindlich, über die ich Sie nicht darf reflectiren lassen, sagte er. Erlauben Sie, gnädiges Fräulein - - Er wollte mir den Brief wiedernehmen.

uns ein gnädiges Handschreiben von dem jungen Herrn Baron v. S. vorzulesen, nachdem er sich diese in einer wohlfließenden halbstündigen Rede erbethen hatte. Wir hörten aufmerksam zu. Er las mit einer Art, die mir gefiel. Das Wasser trat ihm für Freuden in die Augen; er lächelte und wischte sie mit einer Hand um die andere, wenn er an Stellen kam, die er für spashaft hielt, oder die ihm angenehme Gedanken erweckten: manchmal aber mummelte er in den Bart, und las so geschwinde, daß Niemand wußte, was er haben wollte. Wie, sagte ich, wie war das? Noch einmal diese Stelle. Er winkte und geboth uns mit der Hand zu schweigen, und las fort. Da er fertig war, und nach seiner Gewohnheit die Augen zudrückte, um sich auf kritische Anmerkungen zu besinnen, nahm ich ihm den Brief aus der Hand. Es sind Stellen darinne befindlich, über die ich Sie nicht darf reflectiren lassen, sagte er. Erlauben Sie, gnädiges Fräulein – – Er wollte mir den Brief wiedernehmen.

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[19/0034] uns ein gnädiges Handschreiben von dem jungen Herrn Baron v. S. vorzulesen, nachdem er sich diese in einer wohlfließenden halbstündigen Rede erbethen hatte. Wir hörten aufmerksam zu. Er las mit einer Art, die mir gefiel. Das Wasser trat ihm für Freuden in die Augen; er lächelte und wischte sie mit einer Hand um die andere, wenn er an Stellen kam, die er für spashaft hielt, oder die ihm angenehme Gedanken erweckten: manchmal aber mummelte er in den Bart, und las so geschwinde, daß Niemand wußte, was er haben wollte. Wie, sagte ich, wie war das? Noch einmal diese Stelle. Er winkte und geboth uns mit der Hand zu schweigen, und las fort. Da er fertig war, und nach seiner Gewohnheit die Augen zudrückte, um sich auf kritische Anmerkungen zu besinnen, nahm ich ihm den Brief aus der Hand. Es sind Stellen darinne befindlich, über die ich Sie nicht darf reflectiren lassen, sagte er. Erlauben Sie, gnädiges Fräulein – – Er wollte mir den Brief wiedernehmen.

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/34>, abgerufen am 25.11.2024.