Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.Haar tragen. Das kurze schwarze Kleid des Herrn v. W., und die hervorragende rothe Tressenweste, gaben ihm das feinste Ansehen. Das Kleid schien noch die Halbtrauer wegen der Frau Shirley anzuzeigen, vielleicht hatte er es auch um deswillen gewählet, und die rothe Weste sollte unfehlbar seine feurige Liebe gegen Fräulein Julgen abbilden. Er sprach, so lange ihn der Wein noch nicht erhitzet hatte, wenig; was er aber sagte, das mußte mit einer Redensart aus dem Grandison gewürzet seyn, und wenn er keine fand, die seine Meinung ausdruckte, so sprach er durch Minen. Er lächelte, nickte oder schüttelte mit dem Kopfe, wie es etwan die Gelegenheit erforderte. Ich werde es ihm so bald nicht vergeben können, daß er mich einmal bei Tische roth machte, aus Verdruß wurde ich roth. Er fragte mich lächelnd, wie mir ein blauer Rock mit rothen Aufschlägen gefiel? Konnte ich eine so treuherzige Frage gleichgültig aufnehmen? Was muß der Major von Ln. dabei gedacht haben? Ich ärgerte Haar tragen. Das kurze schwarze Kleid des Herrn v. W., und die hervorragende rothe Tressenweste, gaben ihm das feinste Ansehen. Das Kleid schien noch die Halbtrauer wegen der Frau Shirley anzuzeigen, vielleicht hatte er es auch um deswillen gewählet, und die rothe Weste sollte unfehlbar seine feurige Liebe gegen Fräulein Julgen abbilden. Er sprach, so lange ihn der Wein noch nicht erhitzet hatte, wenig; was er aber sagte, das mußte mit einer Redensart aus dem Grandison gewürzet seyn, und wenn er keine fand, die seine Meinung ausdruckte, so sprach er durch Minen. Er lächelte, nickte oder schüttelte mit dem Kopfe, wie es etwan die Gelegenheit erforderte. Ich werde es ihm so bald nicht vergeben können, daß er mich einmal bei Tische roth machte, aus Verdruß wurde ich roth. Er fragte mich lächelnd, wie mir ein blauer Rock mit rothen Aufschlägen gefiel? Konnte ich eine so treuherzige Frage gleichgültig aufnehmen? Was muß der Major von Ln. dabei gedacht haben? Ich ärgerte <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0281" n="266"/> Haar tragen. Das kurze schwarze Kleid des Herrn v. W., und die hervorragende rothe Tressenweste, gaben ihm das feinste Ansehen. Das Kleid schien noch die Halbtrauer wegen der Frau Shirley anzuzeigen, vielleicht hatte er es auch um deswillen gewählet, und die rothe Weste sollte unfehlbar seine feurige Liebe gegen Fräulein Julgen abbilden.</p> <p>Er sprach, so lange ihn der Wein noch nicht erhitzet hatte, wenig; was er aber sagte, das mußte mit einer Redensart aus dem Grandison gewürzet seyn, und wenn er keine fand, die seine Meinung ausdruckte, so sprach er durch Minen. Er lächelte, nickte oder schüttelte mit dem Kopfe, wie es etwan die Gelegenheit erforderte. Ich werde es ihm so bald nicht vergeben können, daß er mich einmal bei Tische roth machte, aus Verdruß wurde ich roth. Er fragte mich lächelnd, wie mir ein blauer Rock mit rothen Aufschlägen gefiel? Konnte ich eine so treuherzige Frage gleichgültig aufnehmen? Was muß der Major von Ln. dabei gedacht haben? Ich ärgerte </p> </div> </body> </text> </TEI> [266/0281]
Haar tragen. Das kurze schwarze Kleid des Herrn v. W., und die hervorragende rothe Tressenweste, gaben ihm das feinste Ansehen. Das Kleid schien noch die Halbtrauer wegen der Frau Shirley anzuzeigen, vielleicht hatte er es auch um deswillen gewählet, und die rothe Weste sollte unfehlbar seine feurige Liebe gegen Fräulein Julgen abbilden.
Er sprach, so lange ihn der Wein noch nicht erhitzet hatte, wenig; was er aber sagte, das mußte mit einer Redensart aus dem Grandison gewürzet seyn, und wenn er keine fand, die seine Meinung ausdruckte, so sprach er durch Minen. Er lächelte, nickte oder schüttelte mit dem Kopfe, wie es etwan die Gelegenheit erforderte. Ich werde es ihm so bald nicht vergeben können, daß er mich einmal bei Tische roth machte, aus Verdruß wurde ich roth. Er fragte mich lächelnd, wie mir ein blauer Rock mit rothen Aufschlägen gefiel? Konnte ich eine so treuherzige Frage gleichgültig aufnehmen? Was muß der Major von Ln. dabei gedacht haben? Ich ärgerte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |