Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

zur Frau v. W. auf das Kanape. Der Baron gieng mit ihrem Gemahl in die Gewehrkammer. Wir drei Frauenzimmer waren alleine, und ich hielt dieses für die beste Gelegenheit, die Frau v. W. ein wenig auszuforschen, um das räthselhafte in ihrem Betragen zu entwickeln. Unser Oncle, gnädige Frau, sagte ich, hat gewiß jetzo die Ehre, dem Fräulein v. W. aufzuwarten, daß wir ihn noch nicht gesehen haben? Es ist doch etwas wunderbares mit den verliebten Leuten, man kann aus ihnen nicht klug werden. Gestern wurde die Abrede genommen, wir sollten ihn heute abholen, um Ihnen aufzuwarten: und da wir nach Kargfeld kommen, sagt man uns, daß er schon vor Tage weggeritten sei. Ich werde nicht irren, wenn ich von dieser Eilfertigkeit auf die Heftigkeit seiner Liebe gegen das Fräulein v. W. schließe. Sie scheint jetzo sein einziger Gedanke zu seyn, und uns alle hat er darüber vergessen. Wenn er zum Vorschein kömmt, werde ich mich ein wenig mit ihm zanken. Das würde ein artiges Spiegelfechten seyn, sagte die Frau v. W.,

zur Frau v. W. auf das Kanape. Der Baron gieng mit ihrem Gemahl in die Gewehrkammer. Wir drei Frauenzimmer waren alleine, und ich hielt dieses für die beste Gelegenheit, die Frau v. W. ein wenig auszuforschen, um das räthselhafte in ihrem Betragen zu entwickeln. Unser Oncle, gnädige Frau, sagte ich, hat gewiß jetzo die Ehre, dem Fräulein v. W. aufzuwarten, daß wir ihn noch nicht gesehen haben? Es ist doch etwas wunderbares mit den verliebten Leuten, man kann aus ihnen nicht klug werden. Gestern wurde die Abrede genommen, wir sollten ihn heute abholen, um Ihnen aufzuwarten: und da wir nach Kargfeld kommen, sagt man uns, daß er schon vor Tage weggeritten sei. Ich werde nicht irren, wenn ich von dieser Eilfertigkeit auf die Heftigkeit seiner Liebe gegen das Fräulein v. W. schließe. Sie scheint jetzo sein einziger Gedanke zu seyn, und uns alle hat er darüber vergessen. Wenn er zum Vorschein kömmt, werde ich mich ein wenig mit ihm zanken. Das würde ein artiges Spiegelfechten seyn, sagte die Frau v. W.,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0261" n="246"/>
zur Frau v. W. auf das Kanape. Der Baron gieng mit ihrem Gemahl in die Gewehrkammer. Wir drei Frauenzimmer waren alleine, und ich hielt dieses für die beste Gelegenheit, die Frau v. W. ein wenig auszuforschen, um das räthselhafte in ihrem Betragen zu entwickeln. Unser Oncle, gnädige Frau, sagte ich, hat gewiß jetzo die Ehre, dem Fräulein v. W. aufzuwarten, daß wir ihn noch nicht gesehen haben? Es ist doch etwas wunderbares mit den verliebten Leuten, man kann aus ihnen nicht klug werden. Gestern wurde die Abrede genommen, wir sollten ihn heute abholen, um Ihnen aufzuwarten: und da wir nach Kargfeld kommen, sagt man uns, daß er schon vor Tage weggeritten sei. Ich werde nicht irren, wenn ich von dieser Eilfertigkeit auf die Heftigkeit seiner Liebe gegen das Fräulein v. W. schließe. Sie scheint jetzo sein einziger Gedanke zu seyn, und uns alle hat er darüber vergessen. Wenn er zum Vorschein kömmt, werde ich mich ein wenig mit ihm zanken. Das würde ein artiges Spiegelfechten seyn, sagte die Frau v. W.,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0261] zur Frau v. W. auf das Kanape. Der Baron gieng mit ihrem Gemahl in die Gewehrkammer. Wir drei Frauenzimmer waren alleine, und ich hielt dieses für die beste Gelegenheit, die Frau v. W. ein wenig auszuforschen, um das räthselhafte in ihrem Betragen zu entwickeln. Unser Oncle, gnädige Frau, sagte ich, hat gewiß jetzo die Ehre, dem Fräulein v. W. aufzuwarten, daß wir ihn noch nicht gesehen haben? Es ist doch etwas wunderbares mit den verliebten Leuten, man kann aus ihnen nicht klug werden. Gestern wurde die Abrede genommen, wir sollten ihn heute abholen, um Ihnen aufzuwarten: und da wir nach Kargfeld kommen, sagt man uns, daß er schon vor Tage weggeritten sei. Ich werde nicht irren, wenn ich von dieser Eilfertigkeit auf die Heftigkeit seiner Liebe gegen das Fräulein v. W. schließe. Sie scheint jetzo sein einziger Gedanke zu seyn, und uns alle hat er darüber vergessen. Wenn er zum Vorschein kömmt, werde ich mich ein wenig mit ihm zanken. Das würde ein artiges Spiegelfechten seyn, sagte die Frau v. W.,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/261
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/261>, abgerufen am 25.11.2024.