Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

scherzen könnte, und nahm kaltsinnig von uns Abschied. Meine Schwester wollte über die Leichtsinnigkeit ihres Mannes, auch mit ihm ein Bisgen zanken: er beruhigte uns aber, durch eine wahrscheinliche Muthmaßung von unserm Oncle. Wer weiß, sagte er, ist diese nächtliche Kavalkade in die Stadt gegangen. Unfehlbar wird der Herr v. N. daselbst einige Galanterien erhandeln, um seiner Braut damit ein Geschenke zu machen. Es kann seyn, daß er nicht eher als gestern Abend diesen Einfall gehabt hat, und vielleicht treffen wir ihn bereits bei dem Herrn v. W. an.

Wie froh war ich, da wir in Wilmershausen anlangten, und Wigand in den Schloßhofe sein Morgenbrodt verzehrte. Ich hatte mich aber nicht so bald von der Bestürzung über unsern Oncle erholet; da gedachte ich wieder mit Schrecken an die Ursache, die uns dismal nach Wilmershausen brachte. Ich glaube, daß ich mich sehr entfärbte, da ich die Frau v. W. sahe, wenigstens fühlte ich, daß alle meine Glieder zitterten. Sie empfing

scherzen könnte, und nahm kaltsinnig von uns Abschied. Meine Schwester wollte über die Leichtsinnigkeit ihres Mannes, auch mit ihm ein Bisgen zanken: er beruhigte uns aber, durch eine wahrscheinliche Muthmaßung von unserm Oncle. Wer weiß, sagte er, ist diese nächtliche Kavalkade in die Stadt gegangen. Unfehlbar wird der Herr v. N. daselbst einige Galanterien erhandeln, um seiner Braut damit ein Geschenke zu machen. Es kann seyn, daß er nicht eher als gestern Abend diesen Einfall gehabt hat, und vielleicht treffen wir ihn bereits bei dem Herrn v. W. an.

Wie froh war ich, da wir in Wilmershausen anlangten, und Wigand in den Schloßhofe sein Morgenbrodt verzehrte. Ich hatte mich aber nicht so bald von der Bestürzung über unsern Oncle erholet; da gedachte ich wieder mit Schrecken an die Ursache, die uns dismal nach Wilmershausen brachte. Ich glaube, daß ich mich sehr entfärbte, da ich die Frau v. W. sahe, wenigstens fühlte ich, daß alle meine Glieder zitterten. Sie empfing

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0259" n="244"/>
scherzen könnte, und nahm kaltsinnig von uns Abschied. Meine Schwester wollte über die Leichtsinnigkeit ihres Mannes, auch mit ihm ein Bisgen zanken: er beruhigte uns aber, durch eine wahrscheinliche Muthmaßung von unserm Oncle. Wer weiß, sagte er, ist diese nächtliche Kavalkade in die Stadt gegangen. Unfehlbar wird der Herr v. N. daselbst einige Galanterien erhandeln, um seiner Braut damit ein Geschenke zu machen. Es kann seyn, daß er nicht eher als gestern Abend diesen Einfall gehabt hat, und vielleicht treffen wir ihn bereits bei dem Herrn v. W. an.</p>
        <p>Wie froh war ich, da wir in Wilmershausen anlangten, und Wigand in den Schloßhofe sein Morgenbrodt verzehrte. Ich hatte mich aber nicht so bald von der Bestürzung über unsern Oncle erholet; da gedachte ich wieder mit Schrecken an die Ursache, die uns dismal nach Wilmershausen brachte. Ich glaube, daß ich mich sehr entfärbte, da ich die Frau v. W. sahe, wenigstens fühlte ich, daß alle meine Glieder zitterten. Sie empfing
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0259] scherzen könnte, und nahm kaltsinnig von uns Abschied. Meine Schwester wollte über die Leichtsinnigkeit ihres Mannes, auch mit ihm ein Bisgen zanken: er beruhigte uns aber, durch eine wahrscheinliche Muthmaßung von unserm Oncle. Wer weiß, sagte er, ist diese nächtliche Kavalkade in die Stadt gegangen. Unfehlbar wird der Herr v. N. daselbst einige Galanterien erhandeln, um seiner Braut damit ein Geschenke zu machen. Es kann seyn, daß er nicht eher als gestern Abend diesen Einfall gehabt hat, und vielleicht treffen wir ihn bereits bei dem Herrn v. W. an. Wie froh war ich, da wir in Wilmershausen anlangten, und Wigand in den Schloßhofe sein Morgenbrodt verzehrte. Ich hatte mich aber nicht so bald von der Bestürzung über unsern Oncle erholet; da gedachte ich wieder mit Schrecken an die Ursache, die uns dismal nach Wilmershausen brachte. Ich glaube, daß ich mich sehr entfärbte, da ich die Frau v. W. sahe, wenigstens fühlte ich, daß alle meine Glieder zitterten. Sie empfing

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenumbruch erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen.
  • Das lange „s“ („ſ“) wird als normales rundes „s“ wiedergegeben.
  • Auslassungspunkte werden, unabhängig von der Anzahl der Punkte, als „…“ (Sonderzeichen Alt+0133) wiedergegeben.
  • Apostrophe werden durch das Sonderzeichen „’“ (Alt+0146) wiedergegeben (nicht durch die Variante auf der Tastatur).
  • Bindestriche werden durch den normalen Bindestrich „-“ wiedergegeben (nicht durch „=“).
  • Gleichheitszeichen „=“ werden als normale Gedankenstriche (Halbgeviertstriche) „–“ wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/259
Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_grandison01_1760/259>, abgerufen am 22.11.2024.