Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.erschien, durch den Herrn Hofmeister, Ehrn M. Lampert Wilibald anzeigen lassen: daß eine gewisse hochadliche Matrone aus der Familie unsres Erbherrn in Engelland Todes verfahren wäre, und dieserwegen christl. Gebrauch nach, das gewöhnliche Trauergeläute 14 Tage lang, jeden Tag zwo Stunden, sollte angeordnet werden. Sämmtliche Gemeinde versprach, nach dem Befehle des gestrengen Junkers sich gebührend zu achten. Der Herr Schulze forderte alle Tage 2 Fröhner zum Geläute. Am 27 Julius, da Adam Riese und Georg Velten zur Fröhne litten, börstete die große Glocke. Die Leute machten allerlei Auslegungen darüber, einige wollten sagen, die beiden Nachbarn, welche damals läuten mußten, hätten die Glocke gestohlen und eine von Topf davor in den Glockenstuhl gehänget. Nachdem sie aber von den Geschwornen ist besichtiget worden, hat es sich gefunden, daß die rechte Glocke zwar noch an Ort und Stelle ist; aber einen gräßlichen Riß bekommen hat. Da nun durch dieses Unglück unsere liebe Kirche ihren Schmuck erschien, durch den Herrn Hofmeister, Ehrn M. Lampert Wilibald anzeigen lassen: daß eine gewisse hochadliche Matrone aus der Familie unsres Erbherrn in Engelland Todes verfahren wäre, und dieserwegen christl. Gebrauch nach, das gewöhnliche Trauergeläute 14 Tage lang, jeden Tag zwo Stunden, sollte angeordnet werden. Sämmtliche Gemeinde versprach, nach dem Befehle des gestrengen Junkers sich gebührend zu achten. Der Herr Schulze forderte alle Tage 2 Fröhner zum Geläute. Am 27 Julius, da Adam Riese und Georg Velten zur Fröhne litten, börstete die große Glocke. Die Leute machten allerlei Auslegungen darüber, einige wollten sagen, die beiden Nachbarn, welche damals läuten mußten, hätten die Glocke gestohlen und eine von Topf davor in den Glockenstuhl gehänget. Nachdem sie aber von den Geschwornen ist besichtiget worden, hat es sich gefunden, daß die rechte Glocke zwar noch an Ort und Stelle ist; aber einen gräßlichen Riß bekommen hat. Da nun durch dieses Unglück unsere liebe Kirche ihren Schmuck <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0178" n="163"/> erschien, durch den Herrn Hofmeister, Ehrn M. Lampert Wilibald anzeigen lassen: daß eine gewisse hochadliche Matrone aus der Familie unsres Erbherrn in Engelland Todes verfahren wäre, und dieserwegen christl. Gebrauch nach, das gewöhnliche Trauergeläute 14 Tage lang, jeden Tag zwo Stunden, sollte angeordnet werden. Sämmtliche Gemeinde versprach, nach dem Befehle des gestrengen Junkers sich gebührend zu achten. Der Herr Schulze forderte alle Tage 2 Fröhner zum Geläute. Am 27 Julius, da Adam Riese und Georg Velten zur Fröhne litten, börstete die große Glocke. Die Leute machten allerlei Auslegungen darüber, einige wollten sagen, die beiden Nachbarn, welche damals läuten mußten, hätten die Glocke gestohlen und eine von Topf davor in den Glockenstuhl gehänget. Nachdem sie aber von den Geschwornen ist besichtiget worden, hat es sich gefunden, daß die rechte Glocke zwar noch an Ort und Stelle ist; aber einen gräßlichen Riß bekommen hat. Da nun durch dieses Unglück unsere liebe Kirche ihren Schmuck </p> </div> </body> </text> </TEI> [163/0178]
erschien, durch den Herrn Hofmeister, Ehrn M. Lampert Wilibald anzeigen lassen: daß eine gewisse hochadliche Matrone aus der Familie unsres Erbherrn in Engelland Todes verfahren wäre, und dieserwegen christl. Gebrauch nach, das gewöhnliche Trauergeläute 14 Tage lang, jeden Tag zwo Stunden, sollte angeordnet werden. Sämmtliche Gemeinde versprach, nach dem Befehle des gestrengen Junkers sich gebührend zu achten. Der Herr Schulze forderte alle Tage 2 Fröhner zum Geläute. Am 27 Julius, da Adam Riese und Georg Velten zur Fröhne litten, börstete die große Glocke. Die Leute machten allerlei Auslegungen darüber, einige wollten sagen, die beiden Nachbarn, welche damals läuten mußten, hätten die Glocke gestohlen und eine von Topf davor in den Glockenstuhl gehänget. Nachdem sie aber von den Geschwornen ist besichtiget worden, hat es sich gefunden, daß die rechte Glocke zwar noch an Ort und Stelle ist; aber einen gräßlichen Riß bekommen hat. Da nun durch dieses Unglück unsere liebe Kirche ihren Schmuck
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