Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.Ich denke, es wird Niemand nüchtern gewesen seyn. Sollte Sir Carl an einem solchen Tag nicht ein Räuschgen haben: so sollte es mich sehr wundern. Hätte ich einmal Kindtaufe, ich tränke, so lange ein Darm hielt. Amalia. Das trau ich Ihnen zu; Sie sollten aber überlegen, daß es Niemand als eine Heldenthat ansehen würde. Der Herr von N. Nichts? das wär was entsetzliches! Ein Edelmann muß sauffen können. Wie will er sonst bei Hof zurechte kommen? Mein seliger Vater konnte einen Eimer Bier in einem Sitze bezwingen: aber heut zu Tage gewöhnen wir uns zu zärtlich. Ich lobe mir die alten Zeiten. Da war keiner nicht gelitten, der nicht seinen Stiefel tüchtig saufen konnte. Amalia. Wir wollen uns über die Vorzüge der alten Welt für der heutigen nicht zanken. Lesen Sie uns nur den Brief weiter.
Ich denke, es wird Niemand nüchtern gewesen seyn. Sollte Sir Carl an einem solchen Tag nicht ein Räuschgen haben: so sollte es mich sehr wundern. Hätte ich einmal Kindtaufe, ich tränke, so lange ein Darm hielt. Amalia. Das trau ich Ihnen zu; Sie sollten aber überlegen, daß es Niemand als eine Heldenthat ansehen würde. Der Herr von N. Nichts? das wär was entsetzliches! Ein Edelmann muß sauffen können. Wie will er sonst bei Hof zurechte kommen? Mein seliger Vater konnte einen Eimer Bier in einem Sitze bezwingen: aber heut zu Tage gewöhnen wir uns zu zärtlich. Ich lobe mir die alten Zeiten. Da war keiner nicht gelitten, der nicht seinen Stiefel tüchtig saufen konnte. Amalia. Wir wollen uns über die Vorzüge der alten Welt für der heutigen nicht zanken. Lesen Sie uns nur den Brief weiter.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <floatingText> <body> <div type="act"> <div type="scene" n="3"> <pb facs="#f0134" n="119"/> <p>Ich denke, es wird Niemand nüchtern gewesen seyn. Sollte Sir Carl an einem solchen Tag nicht ein Räuschgen haben: so sollte es mich sehr wundern. Hätte ich einmal Kindtaufe, ich tränke, so lange ein Darm hielt.</p> <sp> <speaker><hi rendition="#fr">Amalia</hi>.</speaker> <p>Das trau ich Ihnen zu; Sie sollten aber überlegen, daß es Niemand als eine Heldenthat ansehen würde.</p> </sp> <sp> <speaker><hi rendition="#fr">Der Herr von N</hi>.</speaker> <p>Nichts? das wär was entsetzliches! Ein Edelmann muß sauffen können. Wie will er sonst bei Hof zurechte kommen? Mein seliger Vater konnte einen Eimer Bier in einem Sitze bezwingen: aber heut zu Tage gewöhnen wir uns zu zärtlich. Ich lobe mir die alten Zeiten. Da war keiner nicht gelitten, der nicht seinen Stiefel tüchtig saufen konnte.</p> </sp> <sp> <speaker><hi rendition="#fr">Amalia</hi>.</speaker> <p>Wir wollen uns über die Vorzüge der alten Welt für der heutigen nicht zanken. Lesen Sie uns nur den Brief weiter.</p> </sp> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [119/0134]
Ich denke, es wird Niemand nüchtern gewesen seyn. Sollte Sir Carl an einem solchen Tag nicht ein Räuschgen haben: so sollte es mich sehr wundern. Hätte ich einmal Kindtaufe, ich tränke, so lange ein Darm hielt.
Amalia. Das trau ich Ihnen zu; Sie sollten aber überlegen, daß es Niemand als eine Heldenthat ansehen würde.
Der Herr von N. Nichts? das wär was entsetzliches! Ein Edelmann muß sauffen können. Wie will er sonst bei Hof zurechte kommen? Mein seliger Vater konnte einen Eimer Bier in einem Sitze bezwingen: aber heut zu Tage gewöhnen wir uns zu zärtlich. Ich lobe mir die alten Zeiten. Da war keiner nicht gelitten, der nicht seinen Stiefel tüchtig saufen konnte.
Amalia. Wir wollen uns über die Vorzüge der alten Welt für der heutigen nicht zanken. Lesen Sie uns nur den Brief weiter.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |