XI. Die Gemeinde, ihre Qualität und ihr inneres Getriebe.
Durch die Taufe wird der junge Christ in die Gemeinde aufgenommen. Von welcher Art nun das Material ist, aus welchem sich die Gemeinde zusammen- setzt, geht aus dem Gesagten zum Teil schon klar hervor.
Es sind fast durchweg junge Leute. Die That- sache, daß in der ganzen Schar der durch Janes be- kehrten Kumamotochristen auch nicht ein einziger das zwanzigste Lebensjahr überschritten hatte, ist charak- teristisch für das ganze japanische Christentum. Die "Ältesten" sind nicht selten Gymnasiasten, und wenn sich das Parlament schon durch lauter schwarzhaarige Köpfe auszeichnet, so tritt der jugendliche Cha- rakter auf den kirchlichen Synoden noch viel mehr zu Tage. Heute noch, wo doch der Hauptbestand des Christentums mehr denn ein Jahrzehnt alt ist, dürfte von den Mitgliedern einer Generalsynode ein Drittel unter dreißig, ein weiteres Drittel zwischen dreißig und fünfunddreißig, und nur das letzte Drittel mehr als fünfunddreißig Jahre zählen. Das hat zweifellos sein Mißliches. Der Satz, daß man mit der Jugend die Zukunft und mit der Zukunft alles gewinnt, enthält doch im besten Falle nur eine halbe Wahrheit. Ganz abgesehen davon, daß den jungen Leuten die reife Lebenserfahrung fehlt, tritt bei der Jugend das san-
XI. Die Gemeinde, ihre Qualität und ihr inneres Getriebe.
Durch die Taufe wird der junge Chriſt in die Gemeinde aufgenommen. Von welcher Art nun das Material iſt, aus welchem ſich die Gemeinde zuſammen- ſetzt, geht aus dem Geſagten zum Teil ſchon klar hervor.
Es ſind faſt durchweg junge Leute. Die That- ſache, daß in der ganzen Schar der durch Janes be- kehrten Kumamotochriſten auch nicht ein einziger das zwanzigſte Lebensjahr überſchritten hatte, iſt charak- teriſtiſch für das ganze japaniſche Chriſtentum. Die „Älteſten“ ſind nicht ſelten Gymnaſiaſten, und wenn ſich das Parlament ſchon durch lauter ſchwarzhaarige Köpfe auszeichnet, ſo tritt der jugendliche Cha- rakter auf den kirchlichen Synoden noch viel mehr zu Tage. Heute noch, wo doch der Hauptbeſtand des Chriſtentums mehr denn ein Jahrzehnt alt iſt, dürfte von den Mitgliedern einer Generalſynode ein Drittel unter dreißig, ein weiteres Drittel zwiſchen dreißig und fünfunddreißig, und nur das letzte Drittel mehr als fünfunddreißig Jahre zählen. Das hat zweifellos ſein Mißliches. Der Satz, daß man mit der Jugend die Zukunft und mit der Zukunft alles gewinnt, enthält doch im beſten Falle nur eine halbe Wahrheit. Ganz abgeſehen davon, daß den jungen Leuten die reife Lebenserfahrung fehlt, tritt bei der Jugend das ſan-
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XI. Die Gemeinde, ihre Qualität und ihr
inneres Getriebe.
Durch die Taufe wird der junge Chriſt in die
Gemeinde aufgenommen. Von welcher Art nun das
Material iſt, aus welchem ſich die Gemeinde zuſammen-
ſetzt, geht aus dem Geſagten zum Teil ſchon klar hervor.
Es ſind faſt durchweg junge Leute. Die That-
ſache, daß in der ganzen Schar der durch Janes be-
kehrten Kumamotochriſten auch nicht ein einziger das
zwanzigſte Lebensjahr überſchritten hatte, iſt charak-
teriſtiſch für das ganze japaniſche Chriſtentum. Die
„Älteſten“ ſind nicht ſelten Gymnaſiaſten, und wenn
ſich das Parlament ſchon durch lauter ſchwarzhaarige
Köpfe auszeichnet, ſo tritt der jugendliche Cha-
rakter auf den kirchlichen Synoden noch viel mehr zu
Tage. Heute noch, wo doch der Hauptbeſtand des
Chriſtentums mehr denn ein Jahrzehnt alt iſt, dürfte
von den Mitgliedern einer Generalſynode ein Drittel
unter dreißig, ein weiteres Drittel zwiſchen dreißig und
fünfunddreißig, und nur das letzte Drittel mehr als
fünfunddreißig Jahre zählen. Das hat zweifellos ſein
Mißliches. Der Satz, daß man mit der Jugend die
Zukunft und mit der Zukunft alles gewinnt, enthält
doch im beſten Falle nur eine halbe Wahrheit. Ganz
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. [334]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/348>, abgerufen am 22.11.2024.
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