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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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japanische Geistesleben begriffen hat, wird auch dieses
alles verständlich finden.

Mit dem Vortrag bezw. der Bibelerklärung des
Missionars ist erst der eine Teil des Taufunterrichtes
beendigt, und es beginnt nun der zweite nicht minder
wichtige Teil: Der freie Gedankenaustausch, wobei neben
dem Lehrer auch der Schüler zum Wort kommt. Wenn
wir den ersten Teil der Säearbeit das Pflanzen nennen
dürfen, so ist für diesen Teil das Wort "Begießen"
vielleicht der zutreffendste Ausdruck. Das Christentum
bringt dem Katechumenen so viele neue Gedanken,
welche im Widerspruch zu seiner seitherigen ethischen
Autorität Konfuzius stehen, daß man ihm reichlich Ge-
legenheit geben muß, über alles das zur Klarheit zu ge-
langen. Da kommen Fragen heraus, auf welche wir
in unsern abendländischen Gedankenkreisen nie gekommen
wären, von denen man sich aber bei näherer Betrach-
tung sagen muß, daß sie im Munde des Japaners
ganz natürlich sind. Es ist gar nicht anders möglich,
als daß ihn die neue Welt- und Lebensanschauung in
seinen Grundfesten erschüttert, und daß er mit dem
Taufunterricht in eine Periode tritt, wo er, auf schwan-
kendem Grunde stehend, selbst ins Schwanken gerät. Da
sucht er nach einem Halt, und dieser Halt muß ihm der
Missionar in seiner eigenen Person sein; er muß für
ihn zu sprechen sein auch außer der Predigt und auch
noch nach dem Vortrage im Taufunterricht. Und wenn
man dann bei einem Täßchen Thee und einem bißchen
Kuchen gemütlich beisammen sitzt und in gegenseitigem
Gedankenaustausch dem Katechumenen ein Zweifel nach
dem andern schwindet, daß nach allem Schwanken und
Kämpfen in seinem Herzen Ruhe und Friede einkehrt,
so finden sich die Herzen von Lehrer und Schüler, so

japaniſche Geiſtesleben begriffen hat, wird auch dieſes
alles verſtändlich finden.

Mit dem Vortrag bezw. der Bibelerklärung des
Miſſionars iſt erſt der eine Teil des Taufunterrichtes
beendigt, und es beginnt nun der zweite nicht minder
wichtige Teil: Der freie Gedankenaustauſch, wobei neben
dem Lehrer auch der Schüler zum Wort kommt. Wenn
wir den erſten Teil der Säearbeit das Pflanzen nennen
dürfen, ſo iſt für dieſen Teil das Wort „Begießen“
vielleicht der zutreffendſte Ausdruck. Das Chriſtentum
bringt dem Katechumenen ſo viele neue Gedanken,
welche im Widerſpruch zu ſeiner ſeitherigen ethiſchen
Autorität Konfuzius ſtehen, daß man ihm reichlich Ge-
legenheit geben muß, über alles das zur Klarheit zu ge-
langen. Da kommen Fragen heraus, auf welche wir
in unſern abendländiſchen Gedankenkreiſen nie gekommen
wären, von denen man ſich aber bei näherer Betrach-
tung ſagen muß, daß ſie im Munde des Japaners
ganz natürlich ſind. Es iſt gar nicht anders möglich,
als daß ihn die neue Welt- und Lebensanſchauung in
ſeinen Grundfeſten erſchüttert, und daß er mit dem
Taufunterricht in eine Periode tritt, wo er, auf ſchwan-
kendem Grunde ſtehend, ſelbſt ins Schwanken gerät. Da
ſucht er nach einem Halt, und dieſer Halt muß ihm der
Miſſionar in ſeiner eigenen Perſon ſein; er muß für
ihn zu ſprechen ſein auch außer der Predigt und auch
noch nach dem Vortrage im Taufunterricht. Und wenn
man dann bei einem Täßchen Thee und einem bißchen
Kuchen gemütlich beiſammen ſitzt und in gegenſeitigem
Gedankenaustauſch dem Katechumenen ein Zweifel nach
dem andern ſchwindet, daß nach allem Schwanken und
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[324/0338] japaniſche Geiſtesleben begriffen hat, wird auch dieſes alles verſtändlich finden. Mit dem Vortrag bezw. der Bibelerklärung des Miſſionars iſt erſt der eine Teil des Taufunterrichtes beendigt, und es beginnt nun der zweite nicht minder wichtige Teil: Der freie Gedankenaustauſch, wobei neben dem Lehrer auch der Schüler zum Wort kommt. Wenn wir den erſten Teil der Säearbeit das Pflanzen nennen dürfen, ſo iſt für dieſen Teil das Wort „Begießen“ vielleicht der zutreffendſte Ausdruck. Das Chriſtentum bringt dem Katechumenen ſo viele neue Gedanken, welche im Widerſpruch zu ſeiner ſeitherigen ethiſchen Autorität Konfuzius ſtehen, daß man ihm reichlich Ge- legenheit geben muß, über alles das zur Klarheit zu ge- langen. Da kommen Fragen heraus, auf welche wir in unſern abendländiſchen Gedankenkreiſen nie gekommen wären, von denen man ſich aber bei näherer Betrach- tung ſagen muß, daß ſie im Munde des Japaners ganz natürlich ſind. Es iſt gar nicht anders möglich, als daß ihn die neue Welt- und Lebensanſchauung in ſeinen Grundfeſten erſchüttert, und daß er mit dem Taufunterricht in eine Periode tritt, wo er, auf ſchwan- kendem Grunde ſtehend, ſelbſt ins Schwanken gerät. Da ſucht er nach einem Halt, und dieſer Halt muß ihm der Miſſionar in ſeiner eigenen Perſon ſein; er muß für ihn zu ſprechen ſein auch außer der Predigt und auch noch nach dem Vortrage im Taufunterricht. Und wenn man dann bei einem Täßchen Thee und einem bißchen Kuchen gemütlich beiſammen ſitzt und in gegenſeitigem Gedankenaustauſch dem Katechumenen ein Zweifel nach dem andern ſchwindet, daß nach allem Schwanken und Kämpfen in ſeinem Herzen Ruhe und Friede einkehrt, ſo finden ſich die Herzen von Lehrer und Schüler, ſo

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/338>, abgerufen am 22.11.2024.