haß der Samurai zum Opfer. Daß die Missionare alle diesem Geschick entrannen, verdankten sie nächst dem Schutze Gottes nur ihrem feinen Taktgefühl, das es peinlich vermied, bei den empfindlichen Japanern Anstoß zu erregen. Aber dessen mußten sie sich doch immer bewußt bleiben: "Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen". Die alten Gesetze gegen das Christen- tum bestanden noch, und schärfer denn je wurden sie jetzt dem Volke wieder eingeprägt. Wenn die Missionare über die Straße gingen, konnten sie an den Ecken mit eigenen Augen den Erlaß angeschlagen sehen, wonach die böse Sekte der Christen bei Todesstrafe verboten war. Man fürchtete für sein Leben, mied die Missionare und lehnte religiöse Gespräche ängstlich ab.
Unter solchen Umständen war an eine öffentliche Wirksamkeit nicht zu denken. Es blieb den Sendboten nichts übrig, als in Geduld abzuwarten. Aber gerade die Ruhe, zu welcher sie wider Willen gezwungen waren, erwies sich als eine weise Fügung im Plane der Vor- sehung. Denn so verblieb ihnen Zeit und Muße zu der ebenso notwendigen als schweren Arbeit, sich die Werkzeuge zum Bau des Gottesreichs zu fertigen und die Waffen zu schmieden zum späteren Kampf. Sie er- lernten die Sprache, sie machten sich mit Sitte und Eigenart des Volks bekannt, sie begannen selbst schon einige Teile der Heiligen Schrift in die Landessprache zu übersetzen. Im übrigen mußten sie es als eine be- sondere Gnade betrachten, wenn sie hier und da für ihre religiösen Lehren Gehör bei ihrem Lehrer des Ja- panischen oder bei ihren Dienstboten, zuweilen wohl auch bei solchen fanden, die englischen Sprachunter- richt bei ihnen nahmen. Und auch diese zogen sich meist wieder zurück, wenn sie sahen, daß es den Behörden
haß der Samurai zum Opfer. Daß die Miſſionare alle dieſem Geſchick entrannen, verdankten ſie nächſt dem Schutze Gottes nur ihrem feinen Taktgefühl, das es peinlich vermied, bei den empfindlichen Japanern Anſtoß zu erregen. Aber deſſen mußten ſie ſich doch immer bewußt bleiben: „Mitten wir im Leben ſind von dem Tod umfangen“. Die alten Geſetze gegen das Chriſten- tum beſtanden noch, und ſchärfer denn je wurden ſie jetzt dem Volke wieder eingeprägt. Wenn die Miſſionare über die Straße gingen, konnten ſie an den Ecken mit eigenen Augen den Erlaß angeſchlagen ſehen, wonach die böſe Sekte der Chriſten bei Todesſtrafe verboten war. Man fürchtete für ſein Leben, mied die Miſſionare und lehnte religiöſe Geſpräche ängſtlich ab.
Unter ſolchen Umſtänden war an eine öffentliche Wirkſamkeit nicht zu denken. Es blieb den Sendboten nichts übrig, als in Geduld abzuwarten. Aber gerade die Ruhe, zu welcher ſie wider Willen gezwungen waren, erwies ſich als eine weiſe Fügung im Plane der Vor- ſehung. Denn ſo verblieb ihnen Zeit und Muße zu der ebenſo notwendigen als ſchweren Arbeit, ſich die Werkzeuge zum Bau des Gottesreichs zu fertigen und die Waffen zu ſchmieden zum ſpäteren Kampf. Sie er- lernten die Sprache, ſie machten ſich mit Sitte und Eigenart des Volks bekannt, ſie begannen ſelbſt ſchon einige Teile der Heiligen Schrift in die Landesſprache zu überſetzen. Im übrigen mußten ſie es als eine be- ſondere Gnade betrachten, wenn ſie hier und da für ihre religiöſen Lehren Gehör bei ihrem Lehrer des Ja- paniſchen oder bei ihren Dienſtboten, zuweilen wohl auch bei ſolchen fanden, die engliſchen Sprachunter- richt bei ihnen nahmen. Und auch dieſe zogen ſich meiſt wieder zurück, wenn ſie ſahen, daß es den Behörden
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haß der Samurai zum Opfer. Daß die Miſſionare
alle dieſem Geſchick entrannen, verdankten ſie nächſt dem
Schutze Gottes nur ihrem feinen Taktgefühl, das es
peinlich vermied, bei den empfindlichen Japanern Anſtoß
zu erregen. Aber deſſen mußten ſie ſich doch immer
bewußt bleiben: „Mitten wir im Leben ſind von dem
Tod umfangen“. Die alten Geſetze gegen das Chriſten-
tum beſtanden noch, und ſchärfer denn je wurden ſie
jetzt dem Volke wieder eingeprägt. Wenn die Miſſionare
über die Straße gingen, konnten ſie an den Ecken mit
eigenen Augen den Erlaß angeſchlagen ſehen, wonach
die böſe Sekte der Chriſten bei Todesſtrafe verboten
war. Man fürchtete für ſein Leben, mied die Miſſionare
und lehnte religiöſe Geſpräche ängſtlich ab.
Unter ſolchen Umſtänden war an eine öffentliche
Wirkſamkeit nicht zu denken. Es blieb den Sendboten
nichts übrig, als in Geduld abzuwarten. Aber gerade
die Ruhe, zu welcher ſie wider Willen gezwungen waren,
erwies ſich als eine weiſe Fügung im Plane der Vor-
ſehung. Denn ſo verblieb ihnen Zeit und Muße zu
der ebenſo notwendigen als ſchweren Arbeit, ſich die
Werkzeuge zum Bau des Gottesreichs zu fertigen und
die Waffen zu ſchmieden zum ſpäteren Kampf. Sie er-
lernten die Sprache, ſie machten ſich mit Sitte und
Eigenart des Volks bekannt, ſie begannen ſelbſt ſchon
einige Teile der Heiligen Schrift in die Landesſprache
zu überſetzen. Im übrigen mußten ſie es als eine be-
ſondere Gnade betrachten, wenn ſie hier und da für ihre
religiöſen Lehren Gehör bei ihrem Lehrer des Ja-
paniſchen oder bei ihren Dienſtboten, zuweilen wohl
auch bei ſolchen fanden, die engliſchen Sprachunter-
richt bei ihnen nahmen. Und auch dieſe zogen ſich meiſt
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/280>, abgerufen am 24.11.2024.
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