ganda- oder Inspektionsreisen handelte. Und ruhig darf der Missionar seine Reise antreten. Keine mensch- lichen Feinde bedrohen ihn. In der letzten verlorenen Hütte in dem abgeschiedensten Winkel des Gebirges legt er sich des Abends getrost zum Schlummer nieder, sein Haupt ist ebenso sicher wie das des Fürsten von Schwaben, des Grafen Eberhard im Bart, im Schoße seiner treuen Unterthanen. Daß das deutsche Reich jemals in die Lage kommen sollte, ermordeter Missionare willen kriegerische Expeditionen nach Japan zu schicken, ist nach menschlicher Voraussicht vollständig ausgeschlossen. Zwischen Japan und China ist in dieser, wie noch in so mancher andern Beziehung ein himmelweiter Unter- schied. Nur zwei oder dreimal ist es mir begegnet, daß ich auf der Straße etwas unsanft angestoßen wurde, was ich mir gegenüber einer überlegenen Anzahl -- und nur dann konnte es vorkommen -- stets ruhig gefallen ließ. Immer waren es junge Burschen, die mit beiden Füßen noch in ihren Flegeljahren standen; dem richtigen, ausgereiften Japaner ist jede Roheit ein Greuel. Um der Leute willen dürfte also der Missionar ohne Sorge im Lande umherreisen, selbst in Zeiten, wo die Wogen politischer Erregung hoch gehen; um der Sache willen wird es aber stets als Grundsatz gelten müssen: Der Missionar hat seinen festen Wohnsitz.
Er hat sogar in der Regel sein europäisch gebautes Haus. Und das ist gut so. Ich selbst wohnte während der ersten Zeit in einem Hause rein japanischer Bauart. Die japanischen Häuser sind aus Holz, die Böden sind mit dicken Strohmatten belegt, die Stelle des Glases an den Fenstern vertritt transparentes Papier. Sie sind infolgedessen das beste Brennmaterial, das man sich denken mag. In der That sind Riesenbrände in
ganda- oder Inſpektionsreiſen handelte. Und ruhig darf der Miſſionar ſeine Reiſe antreten. Keine menſch- lichen Feinde bedrohen ihn. In der letzten verlorenen Hütte in dem abgeſchiedenſten Winkel des Gebirges legt er ſich des Abends getroſt zum Schlummer nieder, ſein Haupt iſt ebenſo ſicher wie das des Fürſten von Schwaben, des Grafen Eberhard im Bart, im Schoße ſeiner treuen Unterthanen. Daß das deutſche Reich jemals in die Lage kommen ſollte, ermordeter Miſſionare willen kriegeriſche Expeditionen nach Japan zu ſchicken, iſt nach menſchlicher Vorausſicht vollſtändig ausgeſchloſſen. Zwiſchen Japan und China iſt in dieſer, wie noch in ſo mancher andern Beziehung ein himmelweiter Unter- ſchied. Nur zwei oder dreimal iſt es mir begegnet, daß ich auf der Straße etwas unſanft angeſtoßen wurde, was ich mir gegenüber einer überlegenen Anzahl — und nur dann konnte es vorkommen — ſtets ruhig gefallen ließ. Immer waren es junge Burſchen, die mit beiden Füßen noch in ihren Flegeljahren ſtanden; dem richtigen, ausgereiften Japaner iſt jede Roheit ein Greuel. Um der Leute willen dürfte alſo der Miſſionar ohne Sorge im Lande umherreiſen, ſelbſt in Zeiten, wo die Wogen politiſcher Erregung hoch gehen; um der Sache willen wird es aber ſtets als Grundſatz gelten müſſen: Der Miſſionar hat ſeinen feſten Wohnſitz.
Er hat ſogar in der Regel ſein europäiſch gebautes Haus. Und das iſt gut ſo. Ich ſelbſt wohnte während der erſten Zeit in einem Hauſe rein japaniſcher Bauart. Die japaniſchen Häuſer ſind aus Holz, die Böden ſind mit dicken Strohmatten belegt, die Stelle des Glaſes an den Fenſtern vertritt transparentes Papier. Sie ſind infolgedeſſen das beſte Brennmaterial, das man ſich denken mag. In der That ſind Rieſenbrände in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0026"n="12"/>
ganda- oder Inſpektionsreiſen handelte. Und ruhig<lb/>
darf der Miſſionar ſeine Reiſe antreten. Keine menſch-<lb/>
lichen Feinde bedrohen ihn. In der letzten verlorenen<lb/>
Hütte in dem abgeſchiedenſten Winkel des Gebirges legt<lb/>
er ſich des Abends getroſt zum Schlummer nieder, ſein<lb/>
Haupt iſt ebenſo ſicher wie das des Fürſten von Schwaben,<lb/>
des Grafen Eberhard im Bart, im Schoße ſeiner treuen<lb/>
Unterthanen. Daß das deutſche Reich jemals in die<lb/>
Lage kommen ſollte, ermordeter Miſſionare willen<lb/>
kriegeriſche Expeditionen nach Japan zu ſchicken, iſt nach<lb/>
menſchlicher Vorausſicht vollſtändig ausgeſchloſſen.<lb/>
Zwiſchen Japan und China iſt in dieſer, wie noch in<lb/>ſo mancher andern Beziehung ein himmelweiter Unter-<lb/>ſchied. Nur zwei oder dreimal iſt es mir begegnet,<lb/>
daß ich auf der Straße etwas unſanft angeſtoßen wurde,<lb/>
was ich mir gegenüber einer überlegenen Anzahl — und<lb/>
nur dann konnte es vorkommen —ſtets ruhig gefallen<lb/>
ließ. Immer waren es junge <choice><sic>Burſche</sic><corr>Burſchen</corr></choice>, die mit beiden<lb/>
Füßen noch in ihren Flegeljahren ſtanden; dem richtigen,<lb/>
ausgereiften Japaner iſt jede Roheit ein Greuel. Um<lb/>
der Leute willen dürfte alſo der Miſſionar ohne Sorge<lb/>
im Lande umherreiſen, ſelbſt in Zeiten, wo die Wogen<lb/>
politiſcher Erregung hoch gehen; um der Sache willen<lb/>
wird es aber ſtets als Grundſatz gelten müſſen: Der<lb/>
Miſſionar hat ſeinen feſten Wohnſitz.</p><lb/><p>Er hat ſogar in der Regel ſein europäiſch gebautes<lb/>
Haus. Und das iſt gut ſo. Ich ſelbſt wohnte während<lb/>
der erſten Zeit in einem Hauſe rein japaniſcher Bauart.<lb/>
Die japaniſchen Häuſer ſind aus Holz, die Böden ſind<lb/>
mit dicken Strohmatten belegt, die Stelle des Glaſes<lb/>
an den Fenſtern vertritt transparentes Papier. Sie<lb/>ſind infolgedeſſen das beſte Brennmaterial, das man<lb/>ſich denken mag. In der That ſind Rieſenbrände in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[12/0026]
ganda- oder Inſpektionsreiſen handelte. Und ruhig
darf der Miſſionar ſeine Reiſe antreten. Keine menſch-
lichen Feinde bedrohen ihn. In der letzten verlorenen
Hütte in dem abgeſchiedenſten Winkel des Gebirges legt
er ſich des Abends getroſt zum Schlummer nieder, ſein
Haupt iſt ebenſo ſicher wie das des Fürſten von Schwaben,
des Grafen Eberhard im Bart, im Schoße ſeiner treuen
Unterthanen. Daß das deutſche Reich jemals in die
Lage kommen ſollte, ermordeter Miſſionare willen
kriegeriſche Expeditionen nach Japan zu ſchicken, iſt nach
menſchlicher Vorausſicht vollſtändig ausgeſchloſſen.
Zwiſchen Japan und China iſt in dieſer, wie noch in
ſo mancher andern Beziehung ein himmelweiter Unter-
ſchied. Nur zwei oder dreimal iſt es mir begegnet,
daß ich auf der Straße etwas unſanft angeſtoßen wurde,
was ich mir gegenüber einer überlegenen Anzahl — und
nur dann konnte es vorkommen — ſtets ruhig gefallen
ließ. Immer waren es junge Burſchen, die mit beiden
Füßen noch in ihren Flegeljahren ſtanden; dem richtigen,
ausgereiften Japaner iſt jede Roheit ein Greuel. Um
der Leute willen dürfte alſo der Miſſionar ohne Sorge
im Lande umherreiſen, ſelbſt in Zeiten, wo die Wogen
politiſcher Erregung hoch gehen; um der Sache willen
wird es aber ſtets als Grundſatz gelten müſſen: Der
Miſſionar hat ſeinen feſten Wohnſitz.
Er hat ſogar in der Regel ſein europäiſch gebautes
Haus. Und das iſt gut ſo. Ich ſelbſt wohnte während
der erſten Zeit in einem Hauſe rein japaniſcher Bauart.
Die japaniſchen Häuſer ſind aus Holz, die Böden ſind
mit dicken Strohmatten belegt, die Stelle des Glaſes
an den Fenſtern vertritt transparentes Papier. Sie
ſind infolgedeſſen das beſte Brennmaterial, das man
ſich denken mag. In der That ſind Rieſenbrände in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/26>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.